Autor: Dr. Eckart von Hirschhausen, Arzt, Wissenschaftsjournalist und Gründer der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen
(September 2025) Liebe Leserinnen, liebe Leser,
gesunde Ernährung ist die Grundlage für unser Wohlergehen. Das gilt für alle Menschen – egal ob in Deutschland, den USA, Bangladesch oder Uganda. Wir leben in einer paradoxen Zeit: Obwohl wir weltweit genug Nahrung produzieren, um alle Menschen zu ernähren, steigt die Zahl der Hungernden wieder an. Der Welthunger-Index 2024 zeigt, dass sich rund 2,8 Milliarden Menschen keine gesunde Ernährung leisten können. Doch auch dort, wo Nahrung im Überfluss vorhanden ist, bedeutet das nicht automatisch Gesundheit: Weltweit leiden immer mehr Menschen an ernährungsbedingten Krankheiten. In Deutschland haben mittlerweile 8,7 Millionen Menschen Typ-2-Diabetes und 17 Millionen Menschen sind adipös – mit allen Folgen für Lebensqualität, Gesundheitssystem und Gesellschaft.
Dabei ist unsere Ernährung nicht nur ungesund für uns, sondern auch für den Planeten. Das globale Agrar- und Ernährungssystem verursacht bis zu einem Drittel der globalen Treibhausgasemissionen und gilt als Haupttreiber des Biodiversitätsverlusts. Landwirtinnen und Landwirte spüren die Folgen schon jetzt – Hitzewellen, Dürren und Starkregen bedrohen ihre Lebensgrundlagen in Deutschland, aber vor allem in einkommensschwachen Ländern des Globalen Südens.
Genug, gesund, global gerecht
Mit dem Projekt „Genug, gesund, global gerecht“ meiner Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen wollen wir zeigen: Der Teller ist groß genug für alle – wenn wir gerecht teilen. Eine Transformation des Agrar- und Ernährungssystems wird herausfordernd, birgt aber enormes Potential für wirtschaftliche und politische Stabilität und bessere planetare Gesundheit.
Worauf schauen wir im Supermarktregal zuerst? Den Preis! Doch nichts von dem, was wir dort kaufen, ist dort gewachsen. Der wahre Preis unserer Ernährung ist leider häufig gesunde Lebenszeit und eine intakte Natur. Welchen Preis wir alle zahlen, hat Greenpeace Deutschland in einer Studie veröffentlicht. Ein paar Beispiele: Bei der Erzeugung von Fleisch entstehen in Deutschland Kosten durch Umwelt- und Klimaschäden in Höhe von rund 21 Milliarden Euro pro Jahr. Im Gesundheitsbereich sind es knapp 16 Milliarden Euro durch den übermäßigen Konsum von rotem Fleisch, Schinken und Wurst. Diese externen Kosten lassen wir momentan komplett außer Acht. Auch was die Natur für uns leistet, vergessen wir häufig. Wüssten Sie beispielsweise, was ein Glas Honig kosten würde, wenn Bienen den Mindestlohn bekämen? Über 300.000 Euro!
Global ist hier!
Was der Klimawandel für Menschen im Globalen Süden ganz konkret bedeutet, habe ich letztes Jahr in Ruanda erfahren. Gemeinsam mit drei jungen Menschen aus der Jungen Union, den Jusos und der Grünen Jugend sind wir dorthin gereist, um vor Ort zu lernen, wie die Menschen mit den Folgen der Klimakrise umgehen und was Entwicklungszusammenarbeit vor Ort leistet. Im hügeligen Norden des Landes sprachen wir mit Bäuerinnen und Bauern, die Tee anbauen – einer der Exportschlager des Landes. Die Klimakrise verstärkt auch dort Extremwetterereignissen wie Starkregen und Hitzewellen. 2018 haben heftige Fluten und Erdrutsche ganze Dörfer weggespült und die Ernten gleich mit. Gleichzeitig führen langanhaltende Dürreperioden zu hohen Ernteverlusten. Aber die Menschen finden Lösungen: Im Green Gicumbi-Projekt – das mit deutschen Entwicklungsgeldern unterstützt wird – wurden klimaresistente Bäume gepflanzt, die vor Erdrutschen schützen. Die Teeplantagen wurden in höhere Lagen verlegt und die neuen Bewässerungsgräben können Wasser länger speichern und im Falle von Starkregen gezielt ableiten. Das ist gelebte Klimaanpassung – davon können wir in Deutschland viel lernen. Aber was machen wir? Wir kürzen ausgerechnet dort, wo Hilfe am dringendsten gebraucht wird – bei der Entwicklungszusammenarbeit.
Der Blick über den Tellerrand lohnt sich!
Im Koalitionsvertrag wurde bereits angekündigt, dass weniger Geld für Entwicklungszusammenarbeit vorgesehen ist. 2024 wurden die Mittel bereits um 900 Millionen Euro gekürzt und im aktuellen Haushaltsentwurf für 2025 sind weitere Einsparungen geplant. Das ist das falsche Signal in einer Zeit, in der wir eigentlich mehr globale Zusammenarbeit bräuchten als weniger. Trump, Musk, Putin sind egoistische Männer, die ihr eigenes Wohlergehen vor das aller anderen stellen. Die österreichische Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach hat solche Menschen schon im 19. Jahrhundert treffend beschrieben: „Man nicht allen helfen! sagt der Engherzige und hilft – keinem“.
Ich hoffe, Friedrich Merz erkennt, dass Entwicklungszusammenarbeit nicht nur moralisch richtig, sondern auch wirtschaftlich und politisch klug ist. Gerade als Exportnation und historischer Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen ist es in unserem Interesse, gute Beziehungen mit aufstrebenden Ländern des Globalen Südens zu haben.
Ich habe vieles in Ruanda gelernt. Aber vor allem: Uns geht es erst gut, wenn es allen gut geht.
Mit herzlichen Grüßen,
Euer
Eckart von Hirschhausen