Wiesbaden, 26.11.2021. Romina Ghasemizadeh ist ein wenig aufgeregt, als sie ihren eigenen Namen an der Ankündigungstafel der berufsbildenden Peter-Paul-Cahensly Schule (PPC Schule) in Limburg liest. Vom 15. Bis 19. November 2021 findet deutschlandweit die „Global Education Week“statt. In diesem Kontext werden an der PPC Veranstaltungen zum Thema „Digitales Lernen weltweit fair gestalten!“ umgesetzt. Ghasemizadeh bietet hierfür eine „Lehrkooperation“[1] zum Thema „Smart Phone Smart Use“ an.
Die Global Education Week, die in Deutschland von der Informationsstelle Bildungsauftrag Nord-Süd beim World University Service (WUS) koordiniert wird, ist eine europaweite Aktionswoche des Nord-Süd-Zentrums des Europarates in Lissabon. Die Aktionswoche hat zum Ziel, Themen des Globalen Lernens in der Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Das passt gut zu Ghasemizadehs Hobby. Sie ist iranische Physikstudentin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Im entwicklungspolitischen Bildungsprojekt „Grenzenlos – Globales Lernen in der beruflichen Bildung“ ist sie mit rund 100 weiteren qualifizierten Studierenden aus Afrika, Asien und Lateinamerika aktiv, um die Agenda 2030 zu erreichen. Dafür geht sie in ihrer Freizeit an berufsbildende Schulen und führt dort kostenlose Lehrkooperationen durch, deren roter Faden die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) sind.
Obwohl es Ghasemizadehs erster Einsatz ist, weicht die Aufregung schnell. Denn sie wird im Klassenzimmer von der erfahrenen und engagierten Lehrerin Stefanie Ax unterstützt. Ax setzt sich bereits seit Langem für Nachhaltigkeitsthemen an ihrer Schule ein und hat die Klasse inhaltlich gut vorbereitet. Ax setzt darauf, dass außerschulische Bildungsprojekte wie „Grenzenlos“ wichtige Denkanstöße liefern können.
Bei der Lehrkooperation am 17. November 2021 ist das Thema SDG 12: der kritische Blick auf den Konsum von digitalen Tools, wie dem täglich genutzten Smartphone. In einer Klasse von 16 angehenden Bürokaufleuten regt Ghasemizadeh am Beispiel des Smartphones dazu an, sich mit den Produktionsbedingungen elektronischer Geräte und den Konsequenzen für den Globalen Süden auseinanderzusetzen.
Hierfür hat sie vier Phasen vorbereitet: Zunächst stellt sie sich ausführlich vor – das allein lässt die Lernenden aufhorchen: eine junge Frau, die sich für ein Physikstudium entscheidet, ist noch immer nicht alltäglich in Deutschland. Und dann kommt sie auch noch einem anderen Land, dem Iran. Nun gehört ihr die volle Aufmerksamkeit der Gruppe.
Die eigentliche Lehrkooperation beginnt mit einem Quiz zu allgemeinen Fakten zu Smartphones und Elektroschrott. Mithilfe eines Filmclips und einer Präsentation wird das Wissen zum Thema vertieft. Auf diese informative Phase folgt ein ca. 60-minütiges Planspiel, bei dem die Lernenden in unterschiedliche Rollen schlüpfen können. Somit wird der wichtige „Perspektivwechsel“ im Globalen Lernen bewirkt. Damit können sich die jungen Lernenden in Deutschland hautnah mit der Situation in anderen Regionen in der Welt identifizieren und nachfühlen, was Globale Ungleichheit heißt. Die Lehrkooperation endet mit gemeinsam entwickelten Handlungsoptionen, wie sie selbst zu mehr Gerechtigkeit in der Welt beitragen können.
Lehrerin Ax lobt die didaktische Umsetzung der Inhalte. Die Präsentation sei „sehr gelungen und ansprechend“. Ghasemizadeh sei als Referentin souverän auf die Lernenden zugegangen, habe eine gute Präsenz im Raum gehabt und hätte gekonnt zwischen Nähe und Distanz gewechselt. Während der Lehrkooperation hätten die Lernenden sehr aktiv mitgemacht und gesteigertes Interesse an der Thematik durch reges Nachfragen gezeigt. Nach solchen Lehrkooperationen sei es ihre Aufgabe als Lehrerin, so Ax, beim gelieferten Denkanstoß „anzusetzen, weiterzumachen und zu vertiefen“.
Das Vertiefen ist auch schon geplant: Ax hat zwei Handysammelboxen bestellt. Diese sollen die Lernenden in den nächsten Monaten in der Schule bei verschiedenen Projekten mit ihren alten Handys befüllen, statt sie einfach wegzuschmeißen oder in einer Schublade zu horten. Zum Schuljahresende im Sommer 2022 ist der große Moment gekommen: Die Klasse wird die vollen Sammelboxen bei der Sammelstelle in Frankfurt abgeben und dies mit einem kleinen Ausflug verbinden. Gemeinsam mit Romina Ghasemizadeh. „Das“, so findet Ax, „ist dann eine richtig runde Sache“.
Solche mehrphasigen Projekte wie bei der diesjährigen Global Education Week sind an der PPC keine Eintagsfliegen, sondern gehören ganz selbstverständlich zum Schulalltag. Die PPC bietet als moderne Schule neben verschiedenen Vollzeit-Schulformen auch ein einzigartiges Profil in der Region als Bildungsträger mit Auszeichnungen und Projektsiegeln an: Seit Dezember 2019 ist die PPC unter anderem auch „Grenzenlos-Schule“ und somit Teil eines bundesweiten Netzwerks von über 40 berufsbildenden Schulen im Bereich Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE).
Die PPC ist sogar doppelt ausgezeichnet, mit dem Siegel „Nachhaltigkeit lernen in Hessen“. Dieses Siegel wird durch die Dachmarke des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz für Schulen ausgelobt, die Engagement im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) aufweisen. „Grenzenlos“ ist Teil dieser Dachmarke.
Mit diesem umfassenden Profil ist die PPC ein Paradebeispiel für die Umsetzung des sogenannten „whole-school-approach“, einer der zentralen Empfehlungen des „Orientierungsrahmens für den Lernbereich Globale Entwicklung“, den die Kultusministerkonferenz und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Jahr 2016 neu aufgelegt haben.
INFOBOX:
Wer nun neugierig geworden ist und gerne mehr über die „Global Education Week“ oder das WUS-Projekt „Grenzenlos—Globales Lernen in der beruflichen Bildung“ erfahren möchte oder selbst gerne Projekte an der eigenen beruflichen Schule umsetzen will, erreicht uns unter World University Service (WUS) e.V., Goebenstrasse 35, 65195 Wiesbaden und per mail unter grenzenlos[at]wusgermany.de, oder infostelle[at]wusgermany.de, Tel.: 0611-9446051.
Das entwicklungspolitische Bildungsprojekt wird in Hessen gefördert vom Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen und von den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland sowie von ENGAGEMENT GLOBAL im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Das Projekt gehört zudem in Hessen zu der Dachmarke „Nachhaltigkeit Lernen in Hessen“ des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
[1]Die Einsätze an beruflichen Schulen werden als „Lehrkooperationen“ bezeichnet, um den kooperativen Charakter der Veranstaltung zu verdeutlichen. Die als Multiplikatoren geschulten ausländischen Studierenden kommen als Lehrpartnerinnen und Lehrpartner mit ihren Inhalten und den interaktiven Methoden des Globalen Lernens in den Unterricht. Die Lehrkräfte unterstützten die Einsätze, lassen ihre jahrzehntelangen wertvollen Erfahrungen einfließen und geben im Anschluss ihr Feedback weiter. Somit findet für beide Seiten ein wertschätzender Lernprozess auf Augenhöhe statt.