Masterarbeit, Fakultät für Philosophie und Erziehungswissenschaft, 77 Seiten, dt.
Zusammenfassung:
Womit hängt es zusammen, dass sich Menschen mit umweltbewussten Einstellung auch dementsprechend verhalten oder nicht? Wie kann die Diskrepanz, die zwischen umweltbewussten Einstellungen und naturschützendem Verhalten zu existieren scheint, erklärt werden? Was kann unternommen werden, um Menschen tatsächlich zu einem nachhaltigen, umweltbewussten Verhalten zu befähigen? Diese Fragen zur Einstellungs-Verhaltens-Problematik im Natur- und Umweltschutz bildeten den Ausgangspunkt meiner Masterarbeit.
Denn trotz zahlreicher Nachhaltigkeitsstrategien, die im Rahmen des durch die ‘nationale Plattform BNE‘ verabschiedetet Aktionsplans für Deutschland umgesetzt wurden, wird eine naturschützende und umweltbewusste Nachhaltigkeit eher gefühlt als praktiziert. In der Einstellungs-Verhaltens-Forschung wird dieses Phänomen als ‘Einstellungs-Verhaltens-Lücke‘ bezeichnet. Um der Frage nachzugehen, wie die Einstellungs-Verhaltens-Lücke im Natur- und Umweltschutz erklärt werden kann, wird im ersten Teil der Masterarbeit die von Ajzen und Fishbein konzipierte ‘Theory of planned behavior‘ (TPB) als Bezugstheorie und Erklärungsmodell zugrunde gelegt. Im Rahmen der TPB können weitere Variablen des Einstellungs-Verhaltens-Zusammenhangs identifiziert werden. Zu diesen Variablen gehört zunächst die Intention, ein bestimmtes Verhalten ausführen zu wollen. Diese Verhaltensintention wird ihrerseits determiniert durch die Einstellung zu einem Verhalten, die subjektive Norm und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle.
Als Zwischenfazit kann festgehalten werden, dass eine Inblicknahme des Zusammenhangs zwischen Einstellung und Verhalten verkürzt ist und um weitere Aspekte, nämlich die der Intention, subjektiven Norm und wahrgenommenen Verhaltenskontrolle, ergänzt werden muss. Ausgehend von diesem Zwischenfazit ergibt sich die Frage, ob das Verhalten zuverlässig aus den genannten vier Variablen vorhergesagt und erklärt werden kann, oder ob weitere Variablen identifiziert werden können, welche das Verhalten eines Menschen beeinflussen. So wird in der Literatur zur TPB eine Vielzahl zusätzlicher Prädiktoren der Verhaltensintention vorgeschlagen und diskutiert, um die Erklärungskraft des Modells der TPB zu verbessern. Eine Variable, die im Zusammenhang mit der TPB bislang nicht diskutiert wurde, stellt das Interesse dar. Die (Forschungs-)Frage danach, ob – und wenn ja, inwiefern – auch das Interesse am Natur- und Umweltschutz in Zusammenhang mit einem naturschützenden Verhalten steht, stellt den Ausgangspunkt des zweiten Teils der Masterarbeit dar. Es wird die Hypothese aufgestellt, dass die prädiktive Leistung des Modells der TPB durch Hinzunahme der Variable Interesse als Determinante der Verhaltensintention signifikant erhöht werden kann. Um der Forschungsfrage nachzugehen, erfolgte eine Datenerhebung im Rahmen einer Feldstudie, bei welcher mit Hilfe eines Fragebogens sowohl das Interesse von Schülerinnen und Schülern (SuS) am Natur- und Umweltschutz erhoben wurde, als auch deren Intention, Naturschutz betreiben zu wollen. Die Datenerhebung erfolgte an einem mobilen außerschulischen Lernort der Natur- und Umweltschutzakademie NRW (NUA), dem sog.Umweltbus LUMBRICUS. Mit Hilfe dieses ‘rollenden Klassenzimmers‘, in welchem Themen wie Biodiversität und Stadtökologie thematisiert werden, unterstützt die NUA die praktische Umweltbildungsarbeit. Sowohl Naturerfahrungen, als auch Erkundungen von Lebensräumen und verschiedene Naturschutzprojekte stehen dabei im Vordergrund. Der Einsatz im
LUMBRICUS stellt somit eine außerschulische Intervention dar, durch welche das Umweltbewusstsein der teilnehmenden SuS gestärkt und gefördert werden kann.
Die Datenauswertung ergab, dass durch Hinzunahme der Variable Interesse als Determinante der Verhaltensintention tatsächlich ein signifikanter Zuwachs an Varianzaufklärung für das erweiterte Modell der TPB identifiziert werden kann. So wird die Verhaltensintention durch die Variablen Einstellung, subjektive Norm, wahrgenommene Verhaltenskontrolle und Interesse signifikant um 5,1 Prozent besser vorhergesagt als durch das traditionelle Modell der TPB. Als Fazit der Masterarbeit kann somit festgehalten werden, dass die Variable Interesse eine signifikante Erweiterung des Modells der TPB darstellt. Das Interesse am Natur- und Umweltschutz steht demnach in einem über die Mediatorvariable Intention vermittelten Zusammenhang mit einem naturschützenden und umweltbewussten Verhalten. Um die Kluft zwischen Einstellung und Verhalten zu überwinden und Menschen tatsächlich zu einem naturschützenden, nachhaltigen Verhalten zu befähigen, darf demnach nicht nur die Förderung einer positiven Einstellung zum Naturschutz in den Blick genommen werden. Sowohl die subjektive Norm und wahrgenommene Verhaltenskontrolle, als auch das Interesse am Natur- und Umweltschutz müssen Beachtung finden, wenn es darum geht, Nachhaltigkeit
nicht nur zu fühlen, sondern auch zu praktizieren. Dies gilt natürlich nicht nur für die ökologischen Aspekte von Nachhaltigkeit, auf die im Rahmen der Masterarbeit Bezug genommen wird, sondern auch für die sozialen und ökonomischen Dimensionen. Somit muss im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung Bezug genommen werden auf die Förderung einer positiven Einstellung gegenüber Nachhaltigkeitsthemen, die Vermittlung verschiedener Handlungsmöglichkeiten und –alternativen bezüglich eines selbstverantworteten nachhaltigen Verhaltens sowie auf die Förderung des Interesses an Themen wie Natur- und Klimaschutz, Energienutzung, Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, Konsumverhalten und ein besseres Morgen. Nur so kann das ermöglicht werden, was durch das Bildungskonzept BNE erreicht werden soll: Die Befähigung junger Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln.