Durch Bildung aktiver im Klimaschutz? Eine Evaluation des Klimabildungskurses für Jugendliche „2°Campus“

Autor: Hoppmann, Janna
Jahr: 2020

Masterarbeit, Fachbereich Erziehungswissenschaften und Psychologie, 226 Seiten, dt.

 

Zusammenfassung:

Aktueller Forschungsstand

Vorangegangene Forschung untersuchte die Einflussfaktoren von Klimaschutz-Verhalten sowie die Ansätze, mit denen psychologische Interventionen der Klimakommunikation oder Klimabildung Klimaschutz-Verhalten fördern können. Jugendliche als zukünftige Führungspersonen sind besonders darin gefordert, Lösungen auf die Klimakrise zu finden und sollten daher durch Bildungsangebote zum Handeln befähigt werden. Bisher stehen jedoch Erwachsene im Fokus der Untersuchungen zu Klimaschutz-Verhalten. Die Forschung zum Klimaschutz-Verhalten von Jugendlichen befindet sich noch in den Kinderschuhen. Es wurden vier zentrale Forschungslücken identifiziert: (1) der Mangel eines systematischen, empirisch geprüften Modells der Einflussfaktoren von Klimaschutz-Verhalten, (2)Unklarheit, inwiefern die vorhandenen Modelle auf die Zielgruppe der Jugendlichen anwendbar sind, (3) die beschränkte Aussagekraft der bisherigen Forschung zur Gestaltung von Klimaschutz[1]Interventionen für Jugendliche und (4) die seltene Anwendung von hochwertigen Methoden der Evaluationsforschung zur kausalen Effektschätzung in der realen Bildungspraxis.

Forschungsfragen und Hypothesen

Im Rahmen der vorliegenden Masterarbeit sollten zunächst die Wirkungsmechanismen der Förderung von Klimaschutz-Verhalten bei Jugendlichen untersucht werden. Im Anschluss daran sollte die Wirksamkeit des Klimabildungskurses 2° Campus des WWF Deutschland auf seine klimainteressierten Teilnehmenden geprüft werden. Somit lauteten die zwei Forschungsfragen: (1) Welche Mechanismen fördern Klimaschutz-Verhalten bei klimainteressierten Jugendlichen? (2) Fördert die Teilnahme am 2° Campus des WWF Deutschland bei klimainteressierten Jugendlichen das Klimaschutz-Verhalten, und wenn ja, wie groß ist der kausale Effekt? Auf der Grundlage des aktuellen Forschungsstands und der genannten Forschungslücken wurden folgende zwei konzeptuelle Hypothesen abgeleitet: die erste Hypothese (H1) zu den Wirkmechanismen von Klima-Interventionen bei klimainteressierten Jugendlichen und die zweite Hypothese (H2) zur Wirksamkeit des 2°Campus bei klimainteressierten Jugendlichen.

Methoden

Die vorliegende Masterarbeit untersucht im Rahmen der ersten Hypothese die Mechanismen, die Klimaschutz-Verhalten bei Jugendlichen erklären und fördern können. Zur Prüfung der zweiten Hypothese soll der kausale Treatment Effekt des 2° Campus geschätzt werden. Die Durchführung der Untersuchung erfolgte durch eine longitudinale quasi-experimentelle Feldstudie. Die Stichprobe umfasste eine Treatment gruppe sowie eine Kontrollgruppe, die jeweils Jugendliche aus Deutschland im Alter zwischen 14 und 19 Jahren beinhalteten. Die Jugendlichen interessierten sich bereits vor der Studienteilnahme für den Klimawandel und den Klimaschutz und waren durch ein bestehendes Problembewusstsein bezüglich des Themas gekennzeichnet. Für die Treatment gruppe wurden die Teilnehmenden des Klimabildungskurses 2°Campus aus dem Kursjahrgang 2020 rekrutiert (n = 19). Die Vergleichsgruppe bildeten Jugendliche, die im Untersuchungszeitraum weder am 2°Campus noch an sonstigen Angeboten der Klimabildung teilnahmen (n = 191).

Die Studienteilnehmenden beantworteten im Laufe des Untersuchungszeitraums von Frühjahr bis Herbst 2020 zu drei Messzeitpunkten Fragebögen zu ihren umweltbezogenen Einstellungen, ihrer klimabezogenen Selbstwirksamkeit, ihren sozialen Normen, ihren Barrieren des Klimaschutz-Verhaltens sowie ihrem aktuellen Klimaschutz-Verhalten. Zur statistischen Datenanalyse wurden zunächst multiple Regressionen zur Vorhersage von verschiedenen klimabezogenen Verhaltensweisen der Jugendlichen durchgeführt (H1). Im Anschluss wurde mithilfe der Methodik von Propensity Score-Stratifizierung eine Kovariatenadjustierung umgesetzt, auf dessen Basis die Treatmenteffekte des 2°Campus geschätzt wurden (H2).

Ergebnisse

Hypothese 1. Die multiplen Regressionsanalysen zur Beantwortung von H2 zeigen, dass umweltbezogene Selbstidentität und soziale Normen zu Klimaschutz von Freundinnen, Freunde und Familie signifikante Prädiktoren für das allgemeine Klimaschutz-Verhalten von Jugendlichen im Alltag sind. Je höher die umweltbezogene Selbstidentität und je geringer die sozialen Normen, desto häufiger berichten die Jugendlichen von allgemeinem Klimaschutz-Verhalten im Alltag. Das Regressionsmodell zum kursbezogenen Klimaschutz-Verhalten im Alltag leistet mit den untersuchten Prädiktoren als Ganzes keinen statistisch signifikanten Erklärungsbeitrag. Die Informationssuche der Jugendlichen zum Klimawandel und zu Klimaschutz erklären folgende Prädiktoren: Steigt die umweltbezogene Selbstidentität, das Handlungswissen zu wissenschaftlichem Arbeiten und zu gesellschaftlichem Wandel, der Konflikt mit eigenen Werten und Lebenszielen oder auch das Klimaschutz-Verhalten der Eltern an, so suchen die Jugendlichen vermehrt nach klimabezogenen Informationen. Auch geben die Jugendlichen häufiger an, nach klimabezogenen Informationen zu suchen, je geringer ihr Problemwissen und ihre erlebte Notwendigkeit der persönlichen Verhaltensänderung ausgeprägt sind. Darüber hinaus haben umweltbezogene Selbstidentität, wahrgenommene Verhaltenskontrolle und elterliches Klimaschutz-Verhalten einen bedeutsamen Einfluss auf das klimabezogene Kommunikationsverhalten der Jugendlichen. Je höher diese Faktoren ausgeprägt sind, desto häufiger kommunizieren die Jugendlichen mit anderen über Klimawandel und Klimaschutz.

Hypothese 2. Die Ergebnisse aus der Berechnung der nicht-adjustierten Gruppenunterschiede im Outcome, den prima Facie Effekten, zeigen inkonsistente Hinweise zur Wirksamkeit des 2° Campus. Die prima Facie Effekte bilden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht den exakt den wahren Treatment Effekt ab, da sich die Treatment gruppe und die Vergleichsgruppe vor dem Beginn des 2° Campus hinsichtlich knapp der Hälfte der erhobenen Prädiktoren und Kriterien voneinander signifikant unterscheiden. Aus diesem Grund kann die Hypothese zur Wirksamkeit des 2° Campus (H2) nur durch die Ergebnisse aus dem Propensity Score-Verfahren mit Kovariatenadjustierung beantwortet werden. Es war nur für zwei der vier Kriterien möglich, das Zuweisungsmodell so zu konstruieren, dass der Overlap und die Balance weitestgehend hergestellt werden konnten. Für die zwei Kriterien – allgemeines Klimaschutz-Verhalten im Alltag und klimabezogene Informationssuche – ergab die kausale Effektschätzung einen kleinen, jedoch negativen Treatment Effekt (ATT) vom 2° Campus auf das Klimaschutz-Verhalten der Jugendlichen in der Treatment gruppe.

Diskussion

In der Masterarbeit arbeite ich folgende vier wichtige Limitationen der Untersuchung heraus: (1) die Merkmale der Treatment gruppe und der Vergleichsgruppe, (2) die geringe Stichprobengröße, (3) die Erstellung der Instrumente zur Datenerhebung und das Design der Untersuchung sowie (4) die eingeschränkte Generalisierbarkeit der Ergebnisse. Indem die vorliegende Masterarbeit die Faktoren identifiziert, die das Klimaschutz-Verhalten von Jugendlichen fördern, und den Effekt eines Klimabildungskurses für diese Zielgruppe evaluiert, leistet die Arbeit einen Beitrag für die Forschung zur Psychologie des Klimawandels als auch zur Evaluationsforschung. Erstens wird ein Wirkungsmodell hergeleitet, welches einen systematischen Überblick über die Einflussfaktoren auf die Problemwahrnehmung und die Motivation von Klimaschutz[1]Verhalten von Erwachsenen und Jugendlichen gibt. Zweitens liefert die Arbeit systematische empirische Evidenz für die Bedeutung der unterschiedlichen Einflussfaktoren für die Zielgruppe der Jugendlichen und stellt die umweltbezogene Selbstidentität sowie die sozialen Normen als zwei zentrale Einflussfaktoren für die Zielgruppe heraus. Drittens entwickelt die Arbeit am Beispiel des 2° Campus allgemeine Gestaltungsempfehlungen von Klimaschutz-Interventionen für Jugendlichen. Viertens zeigt sich das Design der Wirkungsevaluation in der vorliegenden Masterarbeit als ein praktikables Schema für weitere Evaluationen in der Praxis für BNE.

Die formulierten Praxis-Empfehlungen zur Entwicklung und Verbesserung von Klimaschutz[1]Interventionen unterstützen dabei, Ansätze der Klimakommunikation und Klimabildung für Jugendliche in Deutschland zukünftig noch wirkungsvoller zu gestalten.