Masterarbeit, Fakultät für Erziehungswissenschaften, 188 Seiten, dt.
Zusammenfassung:
Aufgrund des sich seit Jahren abzeichnenden und zunehmenden Mangels an Pflegefachkräften in Deutschland wird inzwischen versucht, dieses Problem auch durch Kooperationen mit Ländern wie Vietnam zu lösen, die (noch) einen Überschuss an Arbeitskräften haben. So gibt es seit 2012 in vietnamesisch-deutscher Kooperation gemeinsame Ausbildungsprojekte für die Altenpflege, seit 2016 auch für die Krankenpflege. Junge Vietnamesen werden fachlich zu Altenpflegefachkräften nach deutschen Standards, d. h. in Deutschland ausgebildet, weil es bisher keine spezifische Ausbildung dafür in Vietnam gibt. Als Voraussetzung für diese fachliche Ausbildung in Deutschland müssen diese Vietnamesen v. a. genügende Kompetenzen in der deutschen Sprache nachweisen und entsprechende interkulturelle Vorkenntnisse. Diese nötigen Vorkenntnisse werden im Wesentlichen in einem Deutschkurs in Vietnam vermittelt. Allerdings sind bis heute weder in Vietnam noch in Deutschland entsprechende Curricula zugänglich, und es wurden keine wissenschaftlichen Untersuchungen der pflegeorientierten Deutschkurse oder Evaluationsergebnisse veröffentlicht. Deswegen wurden vom 27.02. bis 31.03.2017 unterschiedliche Akteure (Kursteilnehmer und -lehrkräfte aktueller und abgeschlossener Deutschkurse in Vietnam, Teilnehmer der pflegefachlichen Ausbildung in Deutschland sowie die sprachliche Leitung des Goethe-Instituts Hanoi) mit Fragebögen bzw. Interviews befragt, um die fachsprachlichen und interkulturellen Kompetenzen zu evaluieren, die die vietnamesischen Teilnehmer in diesen Deutschkursen erworben haben. Diese Ergebnisse dienen in meiner Masterarbeit als Basis für die „Entwicklung von Rahmenvorgaben für das Curriculum des Vorbereitungslehrgangs Deutsch in Vietnam als Teil der
Ausbildung von Pflegefachkräften in Deutschland“.
Dabei konzentriert sich die Masterarbeit auf die Untersuchung und Analyse der beiden Aspekte: Vorbereitung auf die fachsprachliche Kommunikation und Interkulturelle Vorbereitung. Durch einen Vergleich der beruflichen Ausbildung zu Pflegefachkräften in Vietnam und in Deutschland sowie die Darstellung wesentlicher Unterschiede zwischen beiden lässt sich ableiten, welche Anforderungen die Teilnehmer des Deutschkurses in Vietnam erfüllen müssen, um an der Pflegeausbildung in Deutschland teilnehmen zu können.
Die Auswertung der empirischen Daten unter Beachtung der bestimmten Indikatoren bzw. entsprechenden Dimensionen ergab folgende wesentliche Ergebnisse:
· Die Qualität insbesondere der Vorbereitung auf die fachsprachliche Kommunikation während des Deutschkurses in Vietnam beeinflusste die Leistungsfähigkeit und Leistungen der Kursabsolventen bzw. der vietnamesischen Auszubildenden während ihrer fachlichen Ausbildung zu Pflegefachkräften in Deutschland. Wie groß dieser Einfluss war, konnte jedoch nicht überprüft werden, denn insbesondere die Beurteilungen der drei Gruppen der Forschungsteilnehmer in Vietnam Kursteilnehmer, Deutschlehrkräfte und Führungskräfte sind nur eingeschränkt valide. In Deutschland äußerten sich v. a. die Absolventen als unmittelbar Betroffene sehr kritisch zu diesem Bereich des Deutschkurses, aber die Ausbilder der Pflegeausbildungsinstitutionen konnten nicht befragt werden. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass bei allen Beteiligten deutlich eine generelle Skepsis an der Qualität des Deutschkurses zum Ausdruck kam.
· Die Qualität der interkulturellen Vorbereitung der Kursteilnehmer durch den Deutschkurs in Vietnam hatte Auswirkungen auf die Integration der vietnamesischen Auszubildenden während der fachlichen Ausbildung in Deutschland. Auch hier konnte der Grad der Beeinträchtigung nicht genauer ermittelt werden, da die o. g. Einschränkungen weitgehend ebenfalls für diesen Bereich gelten. Dennoch zeigt die insgesamt kritische Beurteilung der Qualität der interkulturellen Vorbereitung durch alle Forschungsgruppen und vor allem die der Kursabsolventen bzw. der vietnamesischen Auszubildenden in Deutschland, die insbesondere bei der praktischen Arbeit in Pflegeeinrichtungen interkulturelle Schwierigkeiten hatten, die Auswirkungen durch die unzureichende interkulturelle Vorbereitung auf die Ausbildung in Deutschland;
· Zudem traten bei den Kursabsolventen generell Schwierigkeiten im sprachlichen Bereich auf, insbesondere in den Bereichen Sprechen, Hörverstehen, Phonetik, Grammatik und Fachwortschatz, in hohem Maße im Ausbildungskurs in Deutschland, aber auch bei derpraktischen Arbeit in dortigen Pflegeeinrichtungen.
Daraus lässt sich schlussfolgern:
1. Die Ziele des Deutschkurses in Vietnam sind zwar im Prinzip sinnvoll, aber es fehlt eine verbindliche Festlegung in Form eines allen zugänglichen Curriculums, insbesondere klare Definitionen für die fachsprachliche Kommunikation und die interkulturelle Vorbereitung. Die Inhalte der bisherigen Kurse sind nicht vollständig und nicht durchgehend sinnvoll für die fachliche Ausbildung von vietnamesischen Pflegefachkräften in Deutschland; die Kursteilnehmer konnten vornehmlich die fachsprachlichen und interkulturellen Anforderungen an der Berufsfachschule und beim Einsatz in Pflegeeinrichtungen in Deutschland nicht immer ausreichend bewältigen. Aus diesem Grund wurde die fachliche Ausbildung während der Einstiegsphase von vietnamesischen Pflegefachkräften in Deutschland beeinträchtigt.
2. Die für die Kursteilnehmer in Vietnam Verwendung findenden Materialien und Medien waren zwar für die allgemeinsprachliche Ausbildung grundsätzlich zweckmäßig, aber die Deutschlehrkräfte hatten weder eine pflegesprachliche Ausbildung noch spezifische Weiterbildung erhalten, und sie waren in ihrer eigenen Ausbildung nicht darauf vorbereitet worden, geeignete Zusatzmaterialien selbst auszuwählen und ggf. auch entsprechend den spezifischen fachsprachlichen und interkulturellen Kurszielen zu bearbeiten.
In der vorliegenden Masterarbeit sind ergänzend als zusätzlich genutzte Quellen die Interviews mit den (stellvertretenden) Dekanen der Deutschabteilungen vietnamesischer Hochschulen für Fremdsprachen und den dort sowie im Vietnamesisch-Deutschen Zentrum tätigen DAAD-Lektoren analysiert worden. Weiterhin sind veröffentlichte Interviews über Erfahrungen deutscher Partner (Vivantes Berlin und Caritas Stuttgart) bei der Ausbildung vietnamesischer Pflegefachkräfte in Deutschland ausgewertet worden, um zumindest ansatzweise die Sichtweise dieser Akteure, die nicht befragt werden konnten, zu den beiden Schwerpunkten der Masterarbeit Vorbereitung auf die fachsprachliche Kommunikation und Interkulturelle Vorbereitung zu einzubeziehen.
Auf Basis dieser Auswertungen sind Vorschläge zur Verbesserung der derzeitigen Situation des Deutschkurses entwickelt worden. Sie konnten hier nur allgemein entwickelt werden, eben um den Rahmen für ein Curriculum vorzugeben, und zwar für die beiden untersuchten Schwerpunktbereiche Vorbereitung auf die fachsprachliche Kommunikation und Interkulturelle Vorbereitung, so wie es das Ziel dieser Masterarbeit war. Sie resultieren im Wesentlichen aus den verschiedenen analysierten Indikatoren und den Ergebnissen der geprüften Forschungshypothesen, welche die Schwachstellen der Deutschkurse in Vietnam aufzeigen. Sie betreffen hauptsächlich das Curriculum des Deutschkurses, seine Ziele, seine Inhalte und geeignete Materialien und Medien, wobei der Schwerpunkt auf Anregungen zu Verbesserungen der Vorbereitung auf die fachsprachliche Kommunikation sowie Interkulturelle Vorbereitung liegt. Außerdem beziehen sie sich auf die Gestaltung der Kooperation der Beteiligten, auf eine gezieltere Aus- und Weiterbildung der Deutschlehrkräfte, v. a. im Pflegeprojekt, sowie auf die Einbindung weiterer Experten in diesem Bereich.
Detailliertere Vorschläge wären vermutlich möglich gewesen, wenn die Auffassungen der Leitungen deutscher Pflegeeinrichtungen sowie der Ausbilder und Lehrkräfte der betroffenen Berufsfachschulen in Deutschland zum Thema hätten erfragt werden können und die Stichprobe der Kursabsolventen in Deutschland größer gewesen wäre. Die Ergebnisse ermöglichen trotzdem eine praktische Nutzung zur Optimierung eines für alle Beteiligten wichtigen zukunftsorientierten Projekts, nicht nur für die beiden beteiligten Länder, Deutschland und Vietnam, sondern auch für die davon betroffenen Menschen, Pflegefachkräfte und zu pflegende Personen gleichermaßen. Außerdem können sie in Zukunft als Leitfaden für vergleichbare Projekte dienen, sei es in anderen Berufsfeldern oder in ähnlichen Kooperationsprojekten mit anderen Partnerländern, um frühzeitig mögliche Schwierigkeiten oder sogar Misserfolge zu vermeiden.