Examensarbeit, Fachbereich Katholische Theologie, 111 Seiten, dt.
Zusammenfassung:
„Zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, dass der größte Teil der globalen Erwärmung der letzten Jahrzehnte auf die starke Konzentration von Treibhausgasen (…) zurückzuführen ist, die vor allem aufgrund des menschlichen Handelns ausgestoßen werden“1, so Papst Franziskus (2015) in seiner Enzyklika »Laudato Si‘ – Über die Sorge um unser gemeinsames Haus«.
Der Sozialethiker Markus Vogt bezeichnet das 2015 erschienene Lehrschreiben des Papstes als „Meilenstein in der Entwicklung der katholischen Soziallehre“2. Der oft als „Öko-Enzyklika“3 bezeichnete Aufruf fand durch dessen präzise Analyse der aktuellen globalen Situation über die Mauern der Kirche hinweg weltweit Anklang und Zuspruch in Politik und Wissenschaft. Der ehemalige US-Präsident Barack Obama begrüßte den Appell des Papstes und betonte die Herausforderung „unsere Kinder vor den schädlichen Wirkungen des Klimawandels zu beschützen - und die Kinder unserer Kinder.“4
Das Oberhaupt der katholischen Kirche richtet sein Schreiben an „jeden Menschen […], der auf diesem Planeten wohnt“ (LS 3). Die von ihm diagnostizierte und kritisierte weltweit vorherrschende sozial-ökologische Krise könne nur in einem Gemeinschaftsakt gelöst werden, so sein aufrüttelndes Fazit. Als eine der Hauptursachen der Krise sieht der Papst das westliche Wirtschaftsmodell, welches „ausschließlich das unmittelbare Ergebnis im Auge“ (LS 32) habe. Gleichzeitig betont er jedoch, dass es „nicht Sache der Kirche [sei], endgültige Vorschläge zu unterbreiten“ (LS 61) und wendet sich in Folge an die Wissenschaft mit dem Appell, einen weltweiten Dialog über Lösungsstrategien aufzunehmen.
Eine solche, konkrete Strategie hat Niko Paech, deutscher Ökonom und Wachstumskritiker aus Oldenburg, entwickelt. Paechs (2016) Hauptthese lautet, dass unser Wohlstand und das Wirtschaftswachstum unausweichlich auf einer „umfassenden ökologischen Plünderung“5 beruhen. In seinem Modell der Postwachstumsökonomie, welches er in seiner 2012 veröffentlichten Streitschrift „Befreiung vom Überfluss - Wege in eine Postwachstumsökonomie“6 darlegt, plädiert er daher für eine Wachstumsrücknahme. Diese solle durch eine Reduktion von Konsum und Produktion ermöglicht werden. Konkret setzt Paech auf Strategien der »Suffizienz«, der Genügsamkeit und des Konsumverzichts, und der »Subsistenz« durch verstärkte Eigenproduktion und Regionalisierung der Wirtschaft. Neben der dadurch ermöglichten Entlastung der Ökosphäre stellt der Wachstumskritiker außerdem ein Zuwachs an Lebensqualität und Autonomie in Aussicht.
Das Ziel der vorliegenden Wissenschaftlichen Arbeit war es zu klären, inwieweit das Modell der Postwachstumsökonomie nach Paech (2012) eine mögliche Antwort auf die Forderungen des Papstes darstellt. Zusätzlich wurde der Frage nachgegangen, welche praktischen Implikationen für schulische Bildungsprozesse sich aus der vergleichenden Analyse ergeben. Wie in den 2015 verabschiedeten globalen Nachhaltigkeitszielen der UN unter SDG 4.7 beschrieben, soll bis 2030 sichergestellt werden, „dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen.“7 Bildung spielt demnach eine Schlüsselrolle im Hinblick auf die notwendige sozial-ökologische Transformation. An dieser Stelle werden vor allem wachstumskritische und suffizienzorientierte Methoden in den Blick genommen.
Die Arbeit gliedert sich folgendermaßen: Nach der Einführung in die Themenstellung wird zu Beginn der fast schon inflationär verwendete Begriff einer »nachhaltigen Entwicklung« diskutiert. Es folgt eine inhaltliche Darstellung und kritische Sichtung sowohl der Enzyklika sowie der Streitschrift Paechs. Im Hauptteil der Wissenschaftlichen Arbeit werden die Inhalte der beiden Werke auf Übereinstimmungen und Unterschiede sowohl in der Analyse als auch im jeweiligen Lösungsansatz geprüft. Methodisch werden hierzu in erster Linie Textauszüge zu einzelnen Themenkomplexen gegenübergestellt und ausgewertet. Die zentralen Ergebnisse sind in einer Kurzzusammenfassung festgehalten. Im Schlussteil liegt der Fokus auf pädagogischen Umsetzungsmöglichkeiten und Handlungsanweisungen in Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft. Hierfür wird zunächst das bestehende Konzept der Bildung für Nachhaltige Entwicklung (kurz: BNE) aufgegriffen, um anknüpfend pädagogische Maßnahmen im Sinne des Papstes und Paechs zu skizzieren.
Als wesentliches Fazit der Arbeit kann festgehalten werden, dass Paech mit der Konzeption des Postwachstumsmodells in weiten Teilen den Forderungen des Papstes, nach einem „anderen Verständnis von Wirtschaft und Fortschritt zu suchen“ (LS 16), gerecht wird. So betonen beide die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Rezession und sprechen sich für die Stärkung der Regionalwirtschaft und Anwendung von Suffizienzpraktiken aus. Zentrale Unterschiede bilden der jeweilige Blickwinkel und die Zielgruppen. So schreibt Papst Franziskus aus globaler Perspektive und legt besonderen Wert auf die soziale Dimension, insbesondere die Armutsbekämpfung. Das Konzept des Wachstumskritikers Paech hingegen ist in erster Linie für Konsumgesellschaften des globalen Nordens konzipiert. Beide finden wiederum darin Übereinstimmung, dass sie genau diese Konsumgesellschaften im Interesse der Armen zur Umkehr aufrufen.
Die Vorbereitung und Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft ist eine ernstzunehmende Herausforderung der Institution Schule. Schüler und Schülerinnen sollen zu einer aktiven und kreativen Gestaltung einer ökologisch verträglichen und sozial gerechten Welt befähigt werden. Dieser Auftrag, der gleichzeitig eine nicht zu verkennende Chance darstellt, wird auch von Papst Franziskus und Niko Paech aufgegriffen. Konkret fordern sie die Aufwertung praktischer Kompetenzen, die Thematisierung von Lebensstil- und Wertfragen im Unterricht, die ganzheitliche Darstellung von Beziehungszusammenhängen und die Ermöglichung von Naturerfahrungen.
„By design or by desaster“8 lautet die abschließende These Paechs: Entweder schaffen wir es noch rechtzeitig das vorherrschende System ökologisch verträglich umzugestalten oder die große Katastrophe werde uns eines Besseren belehren. Papst Franziskus und Niko Paech plädieren für die erstgenannte Variante und rufen jede(n) Einzelne(n) von uns dazu auf, den „notwendigen Kurswechsel“ (LS 163) mitzugestalten.
1 Papst Franziskus: Enzyklika Laudato Si' - über die Sorge für das
gemeinsame Haus, Bonn 2015. Bezüge auf den Text werden mit dem Kürzel
»LS« und der Abschnittsnummer nachgewiesen. Hier: LS 23.
2 Vogt, Markus: Ein neues Kapitel der katholischen Soziallehre, in: Amos international 9 (2015), S. 3.
3 Vgl. Steil, Daniel: Öko-Enzyklika von Papst Franziskus erscheint, verfügbar unter: http://www.focus.de/politik/ausland/kirche-der-gruene-papst-oeko-enzyklika-von-franziskus-erscheint_id_4758509.html (zuletzt eingesehen am: 24.10.17)
4 Radio Vatikan: Breit gefächerte Reaktionen auf Öko-Enzyklika, verfügbar unter: http://de.radiovaticana.va/news/2015/06/19/breit_gef%C3%A4cherte_reaktionen_auf_%C3%B6ko-enzyklika/1152642 (zuletzt eingesehen am: 24.10.17)
5 Paech, Niko.: Befreiung vom Überfluss – Auf dem Weg in eine Postwachstumsökonomie, München 2016. S. 13.
6 Ebd.
7 Vereinte Nationen, Generalversammlung (2015): Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung.
New York 2015. S.18. Verfügbar unter: http://www.un.org/depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf
8 Ebd. S. 143