„Als ich ankam, war das wie ein Traum.“ Deutschlandbilder von Geflüchteten

Autor: Eberspach, Kirsten
Jahr: 2017

Masterarbeit, Fachbereich Sozialwissenschaften, 243 Seiten, dt.

Zusammenfassung:

Das Thema Flucht und Migration bestimmt auch in diesem Jahr den medialen, gesellschaftlichen und politischen Diskurs. Die aktuelle Debatte im sogenannten „Asylstreit“ zwischen der Fraktion der CDU und CSU zeigt wieder, welche Bedeutung diesem Thema zukommt. Während in etlichen Talkshows und Interviews davon gesprochen wird, endlich die EU- Außengrenzen gegen „illegale Migration“ schützen zu müssen, „Ankerzentren“ zu errichten oder Abschiebungen konsequenter zu betreiben, stellt sich die Frage: Was wollen wir wovor schützen?

Folgt man dem aktuellen Diskurs, scheint es so als ob ein unaufhaltsames Monstrum über Europa hereinbrechen will und wenn es mal das ist, kann für unsere Sicherheit und Freiheit, Werte, die in Europa großgeschrieben werden, niemand mehr garantieren. Zwischen den teils negativen Konnotationen in Bezug auf Migration und Flucht, ist der Blick für das Wesentliche verloren gegangen: Den Menschen. Seit dem Jahr 2015, in dem ein höheres Migrations- und Fluchtaufkommen in Europa beobachtet wurde, stellte sich mir oft die Frage, wer sind diese Menschen, was treibt sie an und welche Sehnsüchte haben sie? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die vorliegende Masterarbeit „Als ich ankam, war das wie ein Traum.“ Deutschlandbilder von Geflüchteten. Der Arbeit liegen sechs narrative Interviews von Geflüchteten zugrunde, die in einem theoretischen Rahmen der Flucht- und Migrationstheorien eingebettet sind.

Zu Beginn werden die Begriffe, wie „Migration“ und „Gewaltmigration“ genauer betrachtet und voneinander unterschieden. Die genauen Definitionen bilden dann die Basis für verschiedene Flucht- und Migrationstheorien, also damit was Menschen dazu veranlasst zu migrieren. Die verschiedenen Migrationstheorien beschreiben unterschiedliche Push- und Pull- Modelle, Druck- und Sogwirkung, die einen nachhaltigen Einfluss auf die Entscheidung und Handlungsoptionen der Migrierenden haben. Angesprochen werden dabei ökonomische Faktoren, wie die Theorie des dualen Arbeitsmarktes oder die wachsende Rolle der Globalisierung. Aber auch die Bedeutung von sozialen Beziehungsnetzwerken zwischen den Migrierenden in den Herkunfts- und Aufnahmeländern wird in Bezug auf Migrationstheorien thematisiert.

Thema der Arbeit sind aber nicht nur die Push- Faktoren, die Menschen zur Migration antreibt, sondern auch die Pull- Faktoren, welche die Menschen in die jeweiligen Länder anziehen. Demnach müssen Migrierende bestimmte Bilder, Erwartungen oder Vorstellungen von ihren präferierten Staaten im Kopf haben, was sie zu einer endgültigen Entscheidung antreibt. Daher beschäftigt sich die Arbeit auch mit dem Thema der „Nationenimages“, also die Wahrnehmung von Bildern über andere Nationen. Wichtig ist dabei zu betrachten, wie solche Bilder entstehen, wodurch sie beeinflusst werden und welche Wirkung diese entfalten können. Maßgeblich ist hierbei, dass bestimmte Bilder uns in unseren Entscheidungen beeinflussen, identitätsstiftend auf uns einwirken und eine selektive Wahrnehmung befördern. Diese Faktoren sind auch zentral im Hinblick auf die Entwicklung bestimmter Deutschlandbilder von Migrierenden. Angefangen von den Gastarbeitern in den 50er und 60er Jahren, die Deutschland vorrangig als ihre Arbeitswelt betrachteten bis heute zu Geflüchteten, die Deutschland als ihre große Hoffnung für ein sicheres und freies Leben ansehen.

Um herauszufinden, welche Deutschlandbilder vorherrschen, wie diese beeinflusst wurden und ob sich diese im Laufe der letzten zwei Jahre verändert haben, wurden sechs narrative Interviews mit Geflüchteten durchgeführt. Bei der Fallauswahl war es besonders wichtig eine in sich heterogene Gruppe zu befragen, um eine möglichst große Spannweite unter den Befragten zu schaffen. Diese unterscheiden sich in Geschlecht, Fluchtursache, Herkunftsland, Religion, Alter und Familienstatus. Alle Befragten sind im Zeitraum der großen Fluchtbewegungen im Jahr 2015 nach Deutschland gekommen, was eine Vergleichbarkeit zwischen den Fällen ermöglicht. In einem Forschungsdesign wird die besondere Rolle der Interviews hervorgehoben. Da einige Befragte traumatische Erfahrungen gemacht haben, ist bei diesem Thema eine besondere Sensibilität und Empathie gefragt. Aber auch kulturelle und sprachliche Faktoren beinhalteten an einigen Stellen Herausforderungen. Welche Herausforderungen, Probleme und Erkenntnisse die Interviews mit sich brachten, wird im Kapitel „Methodik und Fallauswahl der Untersuchung“ genauer thematisiert.

Den Interviews lag ein Leitfragebogen zugrunde und dennoch war es wichtig den Befragten den Raum zu geben, frei über ihre Vorstellungen, Hoffnungen, Erfahrungen und Veränderungen mit und in Deutschland zu erzählen. Herausgekommen sind dabei sehr spannende Interviews mit teils sehr bewegenden Erzählungen über Fluchtursachen, Fluchtwege und erste Erkenntnisse in Deutschland. Jedes Interview wurde einer Feinanalyse unterzogen, die in verschiedene Teilkapitel, Interviewkontext, Fluchtgeschichte, Vorstellungen über Deutschland vor dem Fluchtantritt, Gehörtes über Deutschland vor und während der Flucht und Erlebnisse über/mit Deutschland nach der Ankunft bis Heute, gegliedert wurde. Die teilweise sehr ausführlichen Analysen zeigen, was sie in den jeweiligen Heimatländern zur Flucht gezwungen hat, mit welcher Idee sie von Deutschland losgezogen sind und wie sich die Vorstellungen über Deutschland durch Erlebtes nach ihrer Ankunft verändert haben. In vielen Interviews kommt auch der Familie, die in bestimmte soziale Beziehungsnetzwerke mit eingebunden wird, eine tragende Rolle zu. Den Feinanalysen folgt eine theoretische Verortung angelehnt an die Migrations- und Fluchttheorien. Ein Fazit, in dem die Relevanz und die Bedeutsamkeit der Thematik für die aktuelle Debatte aufgegriffen werden, rundet die Arbeit ab.

Im Nachgang dieser Arbeit war es mir besonders wichtig, wenigstens einigen Geflüchteten wieder eine Stimme zu geben, die ihnen in der Debatte um „illegale Migration“, „Flüchtlingskrise“, „Massenmigration“, „Schutz von EU- Außengrenzen“ und „innere Sicherheit“ allzu oft genommen wurde.