Magisterarbeit, Fachbereich Sprach- und Kulturwissenschaften, 186 Seiten, dt.
Zusammenfassung
Die vorliegende Magisterarbeit durchkreuzt verschiedene Themenfelder aus dem Bereich Global Learning. Sie beinhaltet gesellschaftskritische und entwicklungspolitische Fragestellungen, Bezugspunkte zu internationalen Freiwilligendiensten und (kunst-)pädagogische Perspektiven und verbindet diese mit der Welt der Visualität. In einer von Interkulturalität und Migrationsphänomenen geprägten Wirklichkeit sind für die Analyse von Bildern und Sichtbarkeit globale Ansätze erforderlich, die insbesondere gesellschaftliche Machtstrukturen und interkulturelle Identitätsentwürfe mit einbeziehen. Gleichzeitig rückt die Bedeutung der Wahrnehmungskapazitäten und Deutungskompetenzen der einzelnen Subjekte mehr und mehr ins Blickfeld. Die Arbeit stellt eine Spurensuche durch die Wirkfelder von Repräsentation dar. Eines der Hauptmotive ist die Neugierde zu fragen: Wie lässt sich im Geflecht der Repräsentationsthematik ein ‚verantwortlicher Umgang’ mit Bildern skizzieren? Als wichtiger Denkanstoß für thematische Richtung diente die 2012 von glokal e.V. herausgebrachte Broschüre »mit kolonialen grüßen...«. Darin wird eine teilweise illustrierte pädagogische Aufbereitung verschiedener Themen des Globalen Lernens unternommen, die globale Fragestellungen, Eurozentrismus, Rassismus und kritisches Weißsein im Kontext internationaler Freiwilligendienste beleuchtet. Die Broschüre geht außerdem auf das fotografische Verhalten Reisender oder junger Freiwilliger während ihrer Auslandsaufenthalte im Globalen Süden ein und ist somit eng mit der Repräsentationsthematik verknüpft. Im ersten Teil der Arbeit wird zunächst, ausgehend von dem Kulturbegriff der Cultural Studies, der Zusammenhang zwischen Kultur, Macht und Identität im Sinne der Praxis der Cultural Studies, d.h. aus einer herrschaftskritischen Perspektive, besprochen. Dafür werden Ansätze aus den Postcolonial Studies herangezogen und als theoretische Grundlage mit Überlegungen zu Rassismus, kultureller Identität und Fremdheit verknüpft. Denn um politische Dimensionen und Wirkungsweisen von bestimmten Bildern zu untersuchen und den eigenen Blick dafür zu schulen, ist die Betrachtung komplexer gesellschaftlicher Machtstrukturen, geschichtlich konstruierter Festschreibungen, internationaler und innergesellschaftlicher Ungleichheiten eine wichtige Voraussetzung. Im weiteren Verlauf geht es außerdem um die Bedeutung von ‚Eigenem’ und ‚Fremdem’, d.h. die Funktion und die Notwendigkeit von Differenz und ihre identitätsstiftende Wirkung, um die Bedeutung von Identitätsfragen für die Repräsentationsthematik zu unterstreichen. Anschließend wird eine zukunftsorientierte, selbstreflexive Perspektive auf interkulturelle Begegnung eingenommen, die anhand Überlegungen zu kritischem Weißsein, Sprache und Anerkennung die Ebene des einzelnen Individuums im Geflecht der vorangegangenen theoretischen Betrachtungen stärker ins Blickfeld rückt und bestimmte Handlungsspielräume aufzeigt.
Die im zweiten Teil der Arbeit folgenden Überlegungen zur Repräsentationsthematik sind im Forschungsfeld Visuelle Kultur anzusiedeln, welches den zentralen Gedanken der »visuellen Bedeutungsproduktion« beinhaltet, d.h., dass durch Bilder und Visualität ‚Wirklichkeit’ hergestellt wird. Ausgewählte visuelle Bilder werden hier exemplarisch für die Infragestellung gesellschaftspolitischer Strukturen oder den kritischen Umgang mit Repräsentation angeführt. Es geht sowohl um die wirklichkeitsschaffende bzw. verfremdende Wirkmächtigkeit von Bildern, als auch um ihr vielversprechendes vermittelndes und dekonstruierendes Potential.
Zunächst geht es um die Mechanismen, Funktionsweisen und Ambivalenzen von Repräsentation. Nachdem sowohl theoretisch als auch anhand von Bildbeispielen deren Wirkungsweisen veranschaulicht werden, gilt es anschließend mögliche Positionierungsstrategien in Aussicht zu stellen. In diesem Zusammenhang wird auch die Problematik von Zensur, der Umgang mit individuellem Unbehagen und die »Produktivität des Blickens« besprochen. Im Fokus steht anschließend die Dekonstruktion der Sehgewohnheiten und die Frage nach einer möglichen Neu-Ordnung derselben. Ausgehend davon, welche Wirkmacht Bilder und Visuelles entfalten können, unternimmt der letzte Teil der Arbeit eine Verknüpfung der vorangegangenen Betrachtungen. Dabei geht es darum, wie – im Sinne der Kunst – der Frage nach einem ‚verantwortlichen Umgang’ mit Repräsentation nachgegangen werden kann und um das Potential, das die Direktheit und Einprägsamkeit von Visuellem allgemein mit sich bringt. Abschließend wird in Aussicht gestellt, inwiefern die Repräsentationsthematik relevant für den (kunst-)pädagogischen Bildungs- und Vermittlungskontext ist und in diesen einbezogen werden kann. Insgesamt kann die vorliegende Magisterarbeit als Entdeckungsreise durch die Vielfalt und Besonderheiten der Wirkweisen von Bildern verstanden werden, als ein Erkunden schon bestehender und ein Erdenken neuer Spielplätze für bildende und motivierte visuelle Dekonstruktion und Kontextualisierung sowie ein Erforschen des praktischen Zusammenspiels von Bildproduktion und der Idee einer »Schulung des Sehens«. Sie sucht nach anderen Bildern – solchen, die sich hegemonialen Sehgewohnheiten entgegensetzen. Bilder, die auf das Zeigen zeigen. Daraus entstand außerdem die Motivation einer persönlichen, praktischen Auseinandersetzung mit den behandelten Themen. Anhand eigener Zeichnungen versucht die Verfasserin daher, metaphorisch und illustrativ bestimmte Überlegungen zu den Themen zu veranschaulichen. Diese können im dicht bewachsenen Dschungel akademischer Diskurse um Kultur und ihre Bedeutung für die Menschen und die Gesellschaft als kleine Lichtungen betrachtet werden, auf denen sich das Auge zwischendurch ausruhen kann.