Masterarbeit, Fachbereich Medienkulturwissenschaft, 73 Seiten, dt.
Kein weiteres Thema war 2015 in der medialen Berichterstattung so präsent wie die Aufbereitung von Migration und Flucht. Es entstand das Narrativ einer überforderten Bundesrepublik, die von einer gefährlichen Welle von Geflüchteten überrollt werde. Dies führte zu kontroversen Debatten in der deutschen Gesellschaft, die sich von Rassismus, Gewalt und Angst bis zu einer solidarischen Willkommenskultur erstreckten. Geflüchtete und ihre Geschichten wurden zu einem Teil des deutschen kulturellen Gedächtnisses und somit auch wichtiger Bestandteil künstlerischer Aufarbeitung, wie beispielsweise von dokumentarischen Filmen. Sie sind neben Nachrichtensendungen eine der wichtigsten Informationsquellen für gesellschaftsrelevante Diskurse. Das Potential dokumentarischer Filme liegt darin, dass sie eine intensive und authentische Partizipation an einer real scheinenden Welt ermöglichen, die dem Zuschauer nicht durch eigene Erfahrungen bekannt ist. Durch die Beobachtungen des Dokumentarischen kann in der Gesellschaft ein gemeinsames Wissen zu einem Thema entstehen und sich als geteilte Beobachtungen festigen.
Aus diesen Gründen untersucht die Masterarbeit die Darstellungen von Migration und Flucht in dokumentarischen Formaten. Im Fokus stehen die drei deutschen Filme UNCOVERED – NIEMANDSLAND IM DSCHUNGEL (2019), ALS PAUL ÜBER DAS MEER KAM (2017), und MY ESCAPE/MEINE FLUCHT (2016), die sich mit Hilfe alternativer Erzählformen einen neuartigen Zugang zum Thema Migration und Flucht verschaffen und andere Perspektiven auf das Thema ermöglichen. Die drei Filme verbindet nicht nur, dass sie alle nach der Zäsur im Jahr 2015 entstanden sind, sondern auch, dass sie von deutschen Filmemachern produziert wurden, sich an ein deutsches Publikum richten und Geflüchtete in den Fokus ihrer Handlung stellen.
Anhand einer Filmanalyse wird herausgearbeitet, wie von Migration und Flucht nach der sogenannten Flüchtlingskrise erzählt wird und untersucht, ob sich alternative Storytelling- Formen aus dem Printjournalismus auf audiovisuelle Formate übertragen lassen und wie diese dort umgesetzt werden. Es werden folgende Hypothesen überprüft:
- Dokumentarische Formate audiovisueller Medien über Migration und Flucht übertragen alternative Erzählformen aus dem Printjournalismus und erweitern diese durch filmisch narrative Mittel.
- Mit dem Storytelling brechen die Filme das vorherrschende Narrativ der Berichterstattung über Migration und Flucht auf.
Die Masterarbeit gliedert sich in einen Theorie- und Analyseteil. Zunächst wird ein Überblick über das Themenfeld Migration und Flucht gegeben. Dabei werden historische Ereignisse, Ursachen und die aktuelle Situation sowie Heimat- und Identitätsverlust der Geflüchteten beschrieben. Daraufhin folgt die Beschreibung der deutschen Medienberichterstattung über Migration und Flucht. Das vorherrschende Narrativ in Deutschland wird in diesem Abschnitt ebenso erörtert wie die gängigen Bilder und Beschreibungen, die in diesem Zusammenhang verwendet wurden. Im Anschluss daran folgt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit narrativen Strategien in dokumentarischen Formaten. Der Analyseteil beschäftigt sich anschließend genauer mit den einzelnen Filmen, die zunächst beschrieben und bei denen anhand ausgewählter Szenen analysiert wird, welche audiovisuellen Storytelling-Elemente genutzt werden. Der darauffolgende Abschnitt diskutiert die Möglichkeiten und Grenzen solcher narrativen Strategien in dokumentarischen Formaten zu Migration und Flucht. Die Arbeit schließt mit einem Ausblick auf mögliche aufbauende Forschungsprojekte zu Darstellungen von Migration und Flucht in dokumentarischen Formaten.
Alle drei Filme bieten dem Rezipienten die Möglichkeit, sich intensiv mit Migration und Flucht auseinander zu setzen. Die inhaltliche und ästhetische Auseinandersetzung mit den Analysebeispielen zeigt deutlich, dass alternative Erzählstrategien genutzt werden, um dem Zuschauer Migration und Flucht eindrücklich und nachvollziehbar zu schildern. Darüber hinaus stellen alle drei Beispiele ein Gegennarrativ zur aktuellen Medienberichterstattung dar, indem sie die Situationen von ausgewählten Geflüchteten zeigen und darauf aufmerksam machen, wie gefährlich und risikobehaftet eine Flucht ist. Sie berichten abseits des gegenwärtigen Narrativs und vermitteln dem Zuschauer dabei auf innovative Weise einen neuen Zugang und Einblick in diesen Themenbereich.