Bachelorarbeit, Fachbereich Umweltwissenschaften, 64 Seiten, dt.
Zusammenfassung:
Einleitung – Um die nachhaltige Entwicklung und damit einhergehend die Begrenzung des Klimawandels voranzutreiben, sind eine informierte und aktive Zivilgesellschaft sowie gesellschaftliche Debatten über geeignete Lösungswege notwendig (Leach et al., 2013; D. Fischer & Storksdieck, 2018). Die Nachhaltigkeits- und Klimawandelkommunikation sowie die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) dienen als Ansätze, die Zivilgesellschaft zu mobilisieren (D. Fischer & Storksdieck, 2018; Moser, 2010; Newig et al., 2013; UNESCO, 2017). Jugendliche stellen dabei eine wichtige Zielgruppe dar (Buttigieg & Pace, 2013; Svetina et al., 2013; United Nations, 1992). Gleichzeitig spielen Bilder in den digitalen und sozialen Medien eine zunehmende Rolle (Pearce, Brown, Nerlich, & Koteyko, 2015; Wang, Corner, Chapman, & Markowitz, 2018) und bergen gemeinsam mit dem Storytelling-Ansatz ein großes Potential für die Klimawandel- und Nachhaltigkeitskommunikation, da komplexe Sachverhalte so greifbarer vermittelt werden können (D. Fischer & Storksdieck, 2018; Wang et al., 2018). In den letzten Jahren sind mehrere Wimmelbilder als Instrument für die Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen entstanden, die von Nichtregierungs- und Umweltorganisationen in der Bildung für nachhaltige Entwicklung genutzt werden.
Fragestellung und Ziel – Ziel dieser Bachelorarbeit ist es, zum Einen erste Erkenntnisse über die Eignung von Wimmelbildern zur Vermittlung inhaltlicher Aspekte und Zusammenhänge des Themas Klimawandel für Jugendliche zu sammeln, und zum Anderen Storytelling- und andere Darstellungselemente in Wimmelbildern zu identifizieren, welche den Zugang zum Thema Klimawandel für Jugendliche mit unterschiedlicher Affinität für Nachhaltigkeitsthemen fördern können. Die Forschungsfrage lautet folglich: Inwiefern stellen Storytelling-Elemente in Wimmelbildern ein geeignetes Instrument der Klimawandelkommunikation dar, um Jugendliche im Alter von 14-17 Jahren im Rahmen der Bildung für nachhaltige Entwicklung zu erreichen?
Methodisches Vorgehen – Ein erster Schritt besteht in der Kodierung von vier recherchierten Wimmelbildern mit Hinblick auf die darin enthaltenen Storytelling-Elemente (Tonalität, Funktion der Wimmelbilder und Elemente des Aufbaus der Geschichte) und inhaltlichen Aspekte des Klimawandels. Für die Kodierung der Wimmelbilder wird ein Kodierungsschema herangezogen, welches im Rahmen des Projektes „SusTelling – Storytelling in der Nachhaltigkeitskommunikation“ der SuCo2 Research Group der Leuphana Universität (Fischer, Selm, Sundermann, & Storksdieck, submitted) entwickelt wurde. Dieses wird auf das Thema der Bachelorarbeit angepasst und um themenspezifische Aspekte erweitert. Auf Grundlage der Kodierungsergebnisse werden zwei Wimmelbilder für das weitere Vorgehen ausgewählt: das Wimmelbild „Klima + Flucht“ von JANUN Lüneburg e.V. und das SDG-Wimmelbild „ZUKUNFT“ von Germanwatch e.V. Die Auswahl lässt sich dadurch begründen, dass sich diese Wimmelbilder einerseits in Bezug auf deren Art und Anzahl der kodierten Storytelling-Elemente unterscheiden und damit das Potential bergen, zwei unterschiedliche Darstellungsformen zu vergleichen. Andererseits wird im Hinblick auf die graphische Gestaltung eine Niederschwelligkeit und leichte Verständlichkeit in der Auseinandersetzung mit den Bildern im Rahmen der BNE angenommen.
In einem zweiten Schritt wird jeweils eine Focus Group mit Jugendlichen eines Jugendchores und der lokalen Fridays for Future-Gruppe durchgeführt, welche einen Einblick in deren Wahrnehmung der Wimmelbilder ermöglicht. Ein Fragebogen, der von den Teilnehmenden vor den Gruppendiskussionen ausgefüllt wurde, gibt Aufschluss über die Zusammensetzung und durchschnittliche Nachhaltigkeitsaffinität der einzelnen Fokusgruppen. Die Audioaufnahmen derselben werden unter Verwendung des Programms MAXQDA transkribiert und gemäß der deduktiv-induktiven Kategorienbildung – angelehnt an die Ausführungen von Kuckartz (2016) zur inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse – codiert. Die Ergebnisse der beiden Focus Groups werden schließlich gemeinsam mit weiteren persönlichen Eindrücken, die die Jugendlichen in einem After-Worksheet festhielten, miteinander verglichen.
Ergebnisse – Für die inhaltliche und emotionale Erreichbarkeit von Jugendlichen werden folgende Erkenntnisse hinsichtlich der Komposition von Wimmelbildern gewonnen:
- In Wimmelbildern dargestellte Lösungen und Handlungsmaßnahmen sollten realistisch und von den Jugendlichen umsetzbar sein, um das Aufkommen von Zweifeln und Hilfslosigkeit zu verhindern.
- Die Auslösung negativer Emotionen sollte insbesondere dann vermieden werden, wenn mit Jugendlichen gearbeitet wird, die nicht engagiert sind und eine geringe Selbstwirksamkeit verspüren.
- Die enthaltenen Storytelling-Elemente (Tonalität, Funktion der Wimmelbilder und Elemente des Aufbaus der Geschichte) regten die Diskussion und Auseinandersetzung mit den Bildern an und beeinflussten die Stimmung unter den Jugendlichen. In diesem Zusammenhang erwies sich die Darstellung von Emotionen in den Wimmelbildern als förderlich für die Auseinandersetzung.
- Die in den Wimmelbildern gezeigten Geschichten und Themen werden anhand von Protagonisten erkundet, sofern diese eine zentrale Rolle im Wimmelbild einnehmen.
- Stilelemente, wie Symbolik, Wortwitze und Anspielungen, haben positive Wirkungen auf die Wahrnehmung der Wimmelbilder gezeigt, indem sie zum Nachdenken anregten und die inhaltliche Botschaft verstärkten (Symbolik), die Atmosphäre auflockerten und so den Umgang mit den Thema Klimawandel zu erleichtern schienen (Wortwitze) und einen Bezug zum realen Leben der Teilnehmer herstellten (Anspielungen).
- In Wimmelbildern aufgezeigte Zusammenhänge zwischen verschiedenen Bildabschnitten fördern das Verständnis für komplexe Phänomene, wie den Klimawandel, indem die Wechselwirkung und Beziehung zwischen einzelnen Aspekten aufgezeigt wird.
- Um das Verständnis der inhaltlichen Aspekte und deren Beziehungen auch für Jugendliche mit wenig Vorwissen zu erleichtern, wäre eine Handreichung oder die Kombination von Wimmelbildern mit anderen Medien geeignet.
- Die Verbindung der Betrachtung der Wimmelbilder mit einer Diskussion wurde von den Jugendlichen als sehr positiv aufgefasst und führte zu einem intensiven Austausch über die in den Bildern angesprochenen Themen.
Aus diesen ersten Erkenntnissen kann geschlussfolgert werden, dass Wimmelbilder für den Einsatz in der Klimawandelkommunikation und BNE geeignet zu sein scheinen. Jugendliche unterschiedlicher Affinität für Nachhaltigkeitsthemen können auf diese Weise nicht nur viel neues Wissen aufnehmen, sondern sich auch emotional mit den Themen auseinandersetzen.
Limitationen der Forschung – Obwohl das Nachhaltigkeitsinteresse der Teilnehmenden des Jugendchores im Vergleich zu denen von Fridays for Future weniger ausgeprägt zu sein scheint, kann nicht – wie ursprünglich angestrebt – von einer hohen Differenz der durchschnittlichen Nachhaltigkeitsaffinität zwischen den Fokusgruppen gesprochen werden. Die generierten Erkenntnisse können somit nicht gänzlich auf Jugendliche mit geringem Nachhaltigkeitsinteresse übertragen werden. Des Weiteren wird eine relativ kleine Stichprobengröße von zwei Fokusgruppen mit einer jeweiligen Teilnehmeranzahl von vier bis fünf Personen verwendet. Die Ergebnisse sind somit nur begrenzt verallgemeinerbar.
Ausblick – Da Wimmelbilder eine Kombination aus Bild und Storytelling darstellen, erschwert dies die Ermittlung des Einflusses, den beide einzelnen Merkmale auf die Wahrnehmung dieses Mediums haben. Die Aufgabe zukünftiger Forschung wird daher unter anderem sein, die Einflüsse der einzelnen Bild- und Storytelling-Elemente auf die Wahrnehmung von Wimmelbildern zurückzuverfolgen, um schließlich detailliertere Aussagen über den Einfluss von Storytelling-Elementen auf die Wahrnehmung von Wimmelbildern und emotionale Reaktionen darauf treffen zu können.