Ein Bundesland unter Stress. Konnte Rheinland-Pfalz erfolgreich auf die schlagartig gestiegene Zahl von Asylsuchenden seit dem Jahr 2015 reagieren?

Autor: Beck, Leonard
Jahr: 2016

Bachelorarbeit, Fachbereich Sozialwissenschaften, Medien und Sport, 91 Seiten, dt.

Zusammenfassung:

„2015 Das Jahr, das Deutschland veränderte“ (Daldrup 2016), war Anfang 2016 die Überschrift eines Zeit ONLINE-Artikels, der verschiedene Statistiken rund um die Aufnahme von Asylsuchenden in Deutschland zusammenfasste und versuchte, eine Bilanz über die Zeit von September 2015 bis Ende Februar 2016 zu ziehen. Dieses Zitat zeigt sehr plakativ, wie die stark gestiegenen Asylbewerberzahlen in der öffentlichen Wahrnehmung Einfluss auf die Verhältnisse in der Bundesrepublik genommen haben. Seit Mai 2015 ist die Zahl von Asylsuchenden in Deutschland schlagartig gestiegen. Neben der Anzahl haben sich auch die Hauptherkunftsländer geändert: so kamen 2011 die meisten Flüchtlinge aus Afghanistan, Serbien, Iran und dem Irak. Im Jahr 2015 waren es – bedingt durch den dortigen Bürgerkrieg – meist Syrer, gefolgt von Serben, Eritreern sowie Asylsuchenden aus dem Kosovo und Albanien (MIFKJF 2015: 74). Rheinland-Pfalz ist nach dem Königsteiner Verteilungsschlüssel für 4,8371% (BAMF 2016) für die in Deutschland Asylbegehrenden zuständig und muss sie aufnehmen und versorgen. Für das Land bedeutete das mit einer Anzahl von insgesamt etwa 45.000 Menschen eine völlig neue Situation, da man nicht auf einen so großen Zulauf von Flüchtlingen vorbereitet war.

Zu Beginn der zweiten Hälfte des Jahres 2015 wurden die steigenden Zahlen von Asylsuchenden in Deutschland noch als „Sommer der Migration“ betitelt, doch schon im Spätsommer war in den Medien meist nur noch die Rede von der „Flüchtlingskrise“ (Fleischmann 2016). Grund dafür waren Bilder und Meldungen von Menschenmassen, die über die deutsche Grenze strömten, obdachlosen Asylsuchenden und überfüllten Flüchtlingsunterkünften, die auch aus Rheinland-Pfalz durch die Medien gingen (Wolff 2015 / Heidt 2015). Durch die stetige, überdurchschnittlich hohe Anzahl von Asylbewerbern kann der ganze Zeitraum von September 2015 bis Anfang März 2016 als „Flüchtlingskrise“ bezeichnet werden. Das änderte sich erst ab dem 20. März 2016, da an diesem Tag ein türkischeuropäisches Flüchtlingsabkommen in Kraft getreten ist. Es sieht vor, dass alle irregulär nach Griechenland eingereisten Flüchtlinge wieder zurück in die Türkei „gebracht“ werden: dafür werden im Gegenzug aus der Türkei bis zu 72.000 Flüchtlinge regulär in die EU zur Einreise zugelassen (Hanewinkel 2016). Durch dieses Abkommen wurde die Balkanroute, über die der Großteil der Asylbegehrenden bis dahin geflüchtet ist, nach der Errichtung von Grenzzäunen zwischen den Ländern auf dem Festland nun völlig geschlossen. Das hatte zur Folge, dass seit April 2016 monatlich viel weniger Asylsuchende nach Deutschland kamen als im zweiten Halbjahr 2015. Nachdem dadurch die Aufnahmeeinrichtungen in der Bundesrepublik nicht länger überfüllt sind, ist bei den betroffenen Stellen des Landes wieder Zeit, um über Grundsatzthemen zu diskutieren und die gemachten Veränderungen auf den Prüfstand zu stellen (Becker 2016: 26). An diesen Punkt knüpft die vorliegende Arbeit an, um aus einer wissenschaftlichen Perspektive heraus zu beleuchten, wie das Land Rheinland-Pfalz auf den externen Policy-Schock durch die ‚Flüchtlingskrise’ reagiert hat. Denn gerade bei solchen spezifischen Themen mit ihren großen bundesländerspezifischen Unterschieden in der Handhabung besteht eine politikwissenschaftliche Forschungslücke. Deshalb wird in den folgenden sieben Kapiteln die Fragestellung untersucht: „ Konnte Rheinland-Pfalz erfolgreich auf die schlagartig gestiegene Zahl von Asylsuchenden seit dem Jahr 2015 reagieren?“.

Hierfür werden zuerst kurz der rechtliche Rahmen und die theoretischen Grundlagen zur Aufnahme von Asylsuchenden erläutert. Im Anschluss wird die Rolle der Länder in den bundespolitischen Kontext der Flüchtlingsaufnahme eingeordnet. In einem nächsten Schritt wird der Einfluss des Bundes auf das Land Rheinland-Pfalz am Beispiel der Novelle des Asylrechts im Herbst 2015 gezeigt. Im vierten Kapitel geht es darum, welche Verpflichtungen ein Bundesland bei der Aufnahme von Asylsuchenden hat, um dann im nächsten Teil zu zeigen, wie Rheinland-Pfalz diese Aufgaben bis zu der Zeit vor der ‚Flüchtlingskrise’ bewältigt hat. Dafür geht die Arbeit auf die Strukturen und Prozesse innerhalb des Landes ein. Da in diesem und den darauf folgenden Kapiteln viele Daten aus einer qualitativ-empirischen Erhebung genutzt werden, wird erläutert, welche Form der Erhebung genutzt wurde und wie die Befragungen durchgeführt wurden. Der danach folgende Teil der Arbeit geht auf die Anpassungen ein, die Rheinland-Pfalz im Laufe der ‚Flüchtlingskrise’ auf struktureller und prozessualer Ebene sowie als ressortübergreifendes Thema vorgenommen hat. Im vorletzten Kapitel der Arbeit wird die eingangs gestellte Frage mithilfe der vorangehenden Abschnitte beantwortet und abschließend bewertet. Da sich die Ereignisse rund um die Aufnahme von Asylsuchenden in Deutschland weiterhin laufend verändern, behandelt diese Arbeit nur Quellen bis zum März 2016 und ist somit nur als eine aktuelle Momentaufnahme zu betrachten.