Gleichberechtigung in der Bildung durch Entwicklungszusammenarbeit? Eine Längsschnittanalyse zum Einfluss von Gleichstellungsförderung auf die Geschlechterparität in der Primar- und Sekundarbildung

Autor: Ehret, Lena
Jahr: 2017

Masterarbeit, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften, 74 Seiten, dt.

Zusammenfassung:

Die Förderung der Gleichstellung in der Bildung ist ein erklärtes Ziel der internationalen Zusammenarbeit, denn die inklusive Bildung für alle – Mädchen wie Jungen – besitzt eine große Bedeutung für die persönliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung von Personen und Ländern. Dennoch wird vielen Kindern und Erwachsenen ihr Menschenrecht auf Bildung verwehrt. Betroffen sind hiervon insbesondere Frauen, die keine Möglichkeit zum Besuch einer Schule haben. Diese Arbeit untersuchte daher anhand einer Paneldatenanalyse, ob die offizielle bilaterale Entwicklungszusammenarbeit zur Förderung von Bildungsmaßnahmen diesem Anliegen entspricht und einen positiven Einfluss auf die Gleichstellung der Geschlechter im Bildungswesen der Empfängerländer aufweist. Es zeigt sich, dass lediglich die Primarschulförderung, welche zusätzlich die Gleichstellung und Teilhabe von Frauen zum Ziel hat, einen signifikant positiven Einfluss auf das Geschlechterverhältnis der Primarschulabschlussraten
zu besitzen scheint.

Die Arbeit fördert einerseits das Verständnis, ob Entwicklungszusammenarbeit einen Beitrag zum Erreichen des Milleniumsentwicklungsziels drei zur Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung der Rolle von Frauen durch die Beseitigung des Geschlechtergefälles auf allen Bildungsebenen leistet. Weiterhin liefert sie neue Erkenntnisse im aufkommenden Forschungszweig der sektoralen Wirkungsmessung von Entwicklungszusammenarbeit mit desaggregierten Daten der Fördermaßnahmen. Es wird
sowohl der Effekt der bereits desaggregierten Bildungsförderung als auch zusätzlich der weiter aufgeschlüsselten Subkategorien der Primar- und Sekundarschulförderung untersucht. Ein Novum stellt hierbei die Nutzung der entwicklungspolitischen Leistungen mit positiver Geschlechterkennung dar, die explizit die Förderung der Gleichstellung und Teilhabe von Frauen zum Ziel haben. Diese Daten wurden bisher in keiner wissenschaftlichen Studie verwendet.

Die Ergebnisse der Analyse weisen auf die Notwendigkeit der Verwendung solch spezifischer Daten zur Untersuchung der Wirksamkeit von Entwicklungsleistungen hin. Weder die gesamte entwicklungspolitische Bildungsförderung noch die, die zusätzlich explizit die Gleichstellung der Geschlechter als Ziel hat, zeigen im präferierten System-GMM-Modell einen signifikanten Effekt auf das Geschlechtergefälle der Schulabschlussraten der Empfängerländer. Die gleichstellungsrelevante Primarschulförderung hingegen, die unmittelbar mit der Geschlechterungleichheit der Grundschulabschlussraten in Verbindung steht, weist einen signifikant positiven Effekt auf das Geschlechterverhältnis der Primarschulabschlussraten auf. Die Koeffizienten der Schätzung deuten an, dass eine Erhöhung der jährlichen gleichstellungsfördernden Primarschulleistungen um einen Dollar pro Person das Geschlechterverhältnis der Grundschulabschlussraten innerhalb der nächsten drei Jahre um zwei Prozent steigen lässt. Verglichen mit der tatsächlichen Höhe der Zusagen an gleichstellungsrelevanter Primarschulförderung erscheint der geschätzte Effekt jedoch gering. Die Ergebnisse der Analyse erweisen sich als robust gegenüber leichten Veränderungen des Regressionsmodells. Sie können daher als Hinweis gedeutet werden, dass zielgerichtete Entwicklungszusammenarbeit zur Geschlechtergerechtigkeit in der Grundbildung beitragen kann.

Es kann zusammengefasst werden, dass zielgerichtete entwicklungspolitische Maßnahmen Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter im Bildungswesen bewirken können und damit von großer Bedeutung sind. Aufgrund der inzwischen weltweit weitestgehend erreichten Geschlechterparität beim Umfang der Grundbildung, sollte der Fokus der Geberländer bei der zukünftigen Verteilung von entwicklungspolitischen Leistungen vermehrt auf der Geschlechtergleichheit der Sekundarbildung, die bisher vernachlässigt wurde, und der Qualität der Bildung liegen. Hierfür bieten die nach dem Auslaufen der Milleniumsentwicklungsziele 2015 verabschiedeten nachhaltigen Entwicklungsziele eine gute Gelegenheit, um erneute Aufmerksamkeit auf die noch zu erfüllenden Ziele zu lenken. Für das Erreichen des vierten Nachhaltigkeitsziels einer weltweit gerechten, inklusiven und hochwertigen Bildung, sollten die Anstrengungen der Geber daher noch einmal erhöht werden. Um eine effektive Wirkung zu entfalten, sollten die Leistungen insbesondere den Ländern zugestanden werden, die den größten Aufholbedarf für eine gerechte, inklusive und hochwertige Bildung aufweisen.

Im deskriptiven Teil dieser Arbeit wird deutlich, dass es hierbei jedoch Verbesserungen seitens der Geberländer benötigt. Entwicklungszusammenarbeit ist im Bildungssektor nur unzureichend am tatsächlichen Bedarf der Empfängerländer ausgerichtet. Wird der Bedarf zukünftig besser beachtet und die Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft erhöht, dann erscheint das Erreichen von Geschlechterparität in einem hochwertigen Bildungssystem möglich. Die Entwicklungsleistungen für die Gleichstellung in der Bildung können dadurch nicht nur einen Einfluss auf die beiden nachhaltigen Entwicklungsziele der inklusiven, gerechten und hochwertigen Bildung als auch der Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen haben. Aufgrund der vielfältigen positiven Auswirkungen der Bildung von Frauen und Mädchen fördern sie damit gleichzeitig auch die weitere gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der Empfängerländer.