Global responsibility of state actors: Implementing the 2030 agenda of sustainable development through global citizenship education

Autor: Simis, Christos
Jahr: 2016

Masterarbeit, Fachbereich Philosophie/Ethik/Politologie, 90 Seiten, engl.

Zusammenfassung:

Angesichts der globalen Probleme, wie Klimawandel oder Weltarmut, die uns bevorstehen, scheint die Notwendigkeit einer Transformation eine immer dringendere Angelegenheit zu werden. Aber was soll transformiert werden? In meiner Masterarbeit ist von einer sozialen Transformation zu einer gerechten und kultursensiblen Weltgesellschaft die Rede. Dafür, so meine Kernthese, ist Bildung, bzw. Bildung für Weltbürgerschaft von fundamentaler Bedeutung.

Meine Argumentation beginnt mit einem kurzen Exkurs zur Identifizierung des Problems. Die gegenwärtige globale Ordnung sei ungerecht, lautet meine These. Einerseits sei sie ungerecht, da, ökonomisch gesehen, die Weltgemeinschaft autoritären Regierungen Privilegien gewährt, die zur weiteren Befestigung ihrer Macht zulasten ihrer Bevölkerungen führt. Andererseits, aus einer kulturellen Perspektive, ist die Weltentwicklung seit dem 15. Jahrhundert A.D. und besonders während der Kolonialzeiten durch eine epistemische und ideelle Dominanz des Westens gegenüber nicht-westlichen Kulturkreisen gekennzeichnet. Mit anderen Worten, die westlichen Länder behaupten, sie wüssten besser, was wahr, gut und richtig ist. Das Ergebnis sei eine Weltordnung, die systemisch zugunsten der westlichen Länder und zulasten der Entwicklungsländer operiert, sowohl ökonomisch als auch epistemisch und normativ. Das scheint mir ungerecht und, folglich, moralisch verwerflich zu sein.

Die im Jahr 2015 von der Hauptversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete „2030 Agenda für nachhaltige Entwicklung“ wird als ein Meilenstein in der Geschichte der nachhaltigen Entwicklung angesehen. Insbesondere bieten die „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ und Bildung für Weltbürgerschaft („Global Citizenship Education“), die im Unterziel 4.7. zum Ausdruck kommen, einen Anhaltspunkt für die soziale Transformation, über die ich in meiner Arbeit spreche. Neben definitorischen und historischen Erörterungen zur 2030 Agenda und dem Begriff der nachhaltigen Entwicklung, bietet meine Arbeit auch ein Argument für die Wichtigkeit der Bildung für Weltbürgerschaft. Sie soll die nötigen Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln, damit Menschen über nationale Grenzen hinaus mit anderen Menschen und Institutionen auf eine moralisch vertretbare Art und Weise interagieren können. Im Idealfall trägt Bildung für Weltbürgerschaft dazu bei, im Rahmen einer immer globalisierenden Welt eine gerechtere Weltgesellschaft zu gestalten. Im argumentativen Kern meiner Arbeit steht zum einen die normative Grundlage einer Bildung für Weltbürgerschaft, nämlich die Theorie des Kosmopolitismus sowie das Konzept der Menschenrechte. Zum anderen wird ein Verantwortungskonzept herausgearbeitet, das staatlichen Akteuren besondere Pflichten zur Förderung von nachhaltiger Entwicklung (durch Bildung für Weltbürgerschaft) zuschreibt. Ich beginne mit dem Kosmopolitismus. Trotz der Etymologie des Begriffs (aus dem griechischen ‚Kosmopolis‘, was so viel heißt wie ‚Weltstaat‘) plädieren nicht alle Stränge des Kosmopolitismus für eine institutionalisierte Weltordnung, die der Struktur eines Staates nahekommt. Vielmehr ist von einer Weltgesellschaft mit einem einheitlichen Werte- und Normensystem die Rede. Was passiert aber, wenn diese globalen Werte und Normen mit Pflichten, die aus der Mitgliedschaft in einer nationalen oder kulturellen Gemeinschaft entstehen, in Konflikt geraten? Welche der moralischen Pflichten haben dann Vorrang, die globalen oder die partikularen? In meiner Arbeit habe ich dafür argumentiert, dass globale und partikulare Normen und Werte versöhnt werden müssen. Eine Vergleichsanalyse zwischen strengen Positionen, die die Normativität der jeweils entgegenstehenden moralischen Pflichten ablehnen (nämlich Globalisten, die nationale Pflichten ablehnen und umgekehrt), zeigte, dass solch strenge Positionen aus ethischer Sicht nicht vertretbar sind. Denn Nationalität (bzw. die Zugehörigkeit zu einer partikularen Gemeinschaft) scheint ein konstitutives Element der menschlichen Identität zu sein. Dementsprechend wäre die Aufforderung, eine partikulare Identität aufzugeben, um globale Gerechtigkeit zu fördern, eine dem durchschnittlichen Menschen nicht zumutbare Pflicht. Gleichzeitig scheint aber die Existenz einer Weltgesellschaft mit einem globalen und einheitlichen Normen- und Wertesystem angesichts der Globalisierung eine Notwendigkeit zu sein. Diese Versöhnung kann, so argumentierte ich, durch Bildung erreicht werden, die keine patriotischen Gefühle basierend auf Angst und Hass kultiviert, sondern eine Bildung, die Inklusion, Toleranz und Gerechtigkeit für alle fördert ohne dabei die nationale und/oder kulturelle Identität des Menschen zu vernichten.

isher war die Rede von einem globalen und einheitlichen Normen- und Wertesystem. Aber wie soll es aussehen? Dafür muss man das Rad nicht neu erfinden. Die Menschenrechte können diese Rolle erfüllen, allerdings mit einem Vorbehalt. Eine starre Menschenrechtskonzeption, die feste, unveränderbare Rechte und Pflichten aufstellt, ignoriert, so meine These, kulturelle Gegebenheiten. Stattdessen, habe ich in meiner Arbeit dafür argumentiert, dass ein Menschenrechtskatalog aus einem offenen und kultursensiblen Diskurs entstehen soll. Um die Akzeptabilität und dementsprechend das Einhaltungspotential zu erhöhen, ist es von Bedeutung, die Menschenrechte aus der Weltgesellschaft selbst heraus entwickeln zu lassen. Der Weg dorthin ist allerdings nicht leicht. Um eine soziale Transformation zu einer gerechteren und nachhaltigeren Welt einzuführen, ist ein Verantwortungskonzept vonnöten, das spezifischen Akteuren konkrete Pflichten zuschreibt. In meiner Arbeit konzentriere ich mich auf staatliche Akteure. Dieses Verantwortungskonzept unterliegt zwei Prinzipien. Einerseits werden staatlichen Akteuren Pflichten zur nachhaltigen Entwicklung auferlegt aufgrund ihrer kausalen Rolle in der Entstehung und/oder Aufrechterhaltung der ungerechten globalen Ordnung. Andererseits wird den wohlhabenden Ländern eine besondere Verantwortung für nachhaltige Entwicklung zugeschrieben auf Basis ihrer Ressourcenkapazitäten. Mit anderen Worten haben die wohlhabenden Staaten eine besondere Verantwortung, weil sie sich in einer besseren Position befinden, um globale Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Da nachhaltige Entwicklung aus ihrer Natur heraus ein interdisziplinäres Thema ist, habe ich im letzten Teil meiner Arbeit eine kurze empirische Untersuchung unternommen, die dazu dienen soll, den Status quo der Bildung für Weltbürgerschaft in der politischen Zielsetzung in Deutschland zu beleuchten.

Die kurze Analyse des von der Kultusministerkonferenz verabschiedeten Orientierungsrahmens für den Lernbereich Globale Entwicklung zeigte, dass der Begriff „Weltbürger“ im politischen Diskurs nicht etabliert zu sein scheint, obwohl die Grundprinzipien einer Bildung für Weltbürgerschaft zum größten Teil in der politischen Zielsetzung integriert sind. Offen bleibt natürlich die Frage, ob und inwiefern Bildung für Weltbürgerschaft auf der Implementierungsseite bei der Neustrukturierung der Schulkurrikula berücksichtigt wird.

Abschließend möchte ich betonen, dass eins der Hauptziele meiner Masterarbeit war, Teile der Debatte über nachhaltige Entwicklung philosophisch auseinanderzureißen sowie potentielle Gefahren hervorzuheben, die meines Erachtens in der gängigen politischen Debatte nicht unbedingt die nötige Resonanz haben. Denn als Philosoph und Ethiker gehört zu meinen Kompetenzen, ein solides ethisches Fundament für solche Debatten anzubieten. Gleichzeitig aber ist ein Alleinstellungsmerkmal des Philosophen, eine „out of the box“ Perspektive anzubieten sowie Aspekte und Gefahren hervorzuheben, die sonst unberücksichtigt bleiben würden.