Globales Lernen in Erziehungswissenschaft und Sozialer Arbeit

Autor: Pich, Franziska
Jahr: 2018

Masterarbeit, Fachbereich Erziehungswissenschaft, 105 Seiten, dt.

Zusammenfassung:

Globalisierung stellt die Menschheit vor Herausforderungen, denen sie nicht gewachsen zu sein scheint. Wir leben in Weltverhältnissen, die von epochalen Schlüsselproblemen und ökologischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Krisen geprägt sind. Das sich verändernde Klima und die menschengemachte Umweltverschmutzung führen zu einer Minderung der Artenvielfalt, kollabierenden Ökosystemen und Naturkatastrophen. Der Lebensraum für Mensch und Tier wird immer weiter zerstört und zunehmend unbewohnbar gemacht. In einem globalen Geflecht aus Interdependenzen sind Staaten, Ökonomien und Gesellschaften zunehmend miteinander verwoben und voneinander abhängig. Armutsprobleme verschärfen sich und Menschen sind von massiven ökonomischen, politischen und rechtlichen Ungleichheitsverhältnissen betroffen.

Globales Lernen versteht sich als Antwort auf die Globalisierung und möchte die Lernenden dazu befähigen, die eigenen Werte, Haltungen und Handlungen zu reflektieren, um sich verantwortungsvoll für eine nachhaltige und global gerechte Welt einsetzen zu können. Im Fokus stehen Fragen nach sozialer Gerechtigkeit und nachhaltiger Entwicklung, welche vier Dimensionen umfasst – Gesellschaft, Politik, Umwelt und Wirtschaft – die miteinander verknüpft und auf unterschiedlichen Ebenen betrachtet werden können. Es ist verwunderlich, dass die aus der Erziehungswissenschaft stammenden Konzepte Globalen Lernens bisher nicht auf die Disziplinen selbst angewandt wurden. Die sogenannten globalen Problemlagen spiegeln sich jedoch auch in den wissenschaftlichen Disziplinen und in der Praxis von Erziehungswissenschaft und Sozialer Arbeit wider. Sie sehen sich zunehmend mit Problemen und gesellschaftlichen Verhältnissen konfrontiert, welche sich nicht mehr alleine durch lokale oder nationalstaatliche Bezüge erklären lassen. Aus diesem Grund geht die vorliegende Masterarbeit zum einen den Fragen nach, warum und mit welcher inhaltlichen Ausrichtung Globales Lernen in Wissenschaft und pädagogischer Praxis verankert werden kann und sollte, auf der anderen Seite wird der Versuch unternommen, die Masterarbeit selbst als Instrument zu konstruieren, welches bei der Leserschaft Lernprozesse im Sinne des Globalen Lernens initiiert. Mit Hilfe verschiedener Übungen werden Möglichkeiten angeboten, die eigene Involviertheit in Dominanz- und Machtverhältnisse zu reflektieren.

Insgesamt widmet sich die Arbeit zwei der vier zuvor genannten Dimensionen. So wird im Themenschwerpunkt Gesellschaft der Fokus auf machtwirksame Differenzlinien, die ihnen zugrundeliegenden Macht- und Herrschaftsverhältnisse und die Bedeutung für die eigene Arbeit im Kontext von Erziehungswissenschaft und Sozialer Arbeit gelegt. Hierbei wird aufgezeigt, wie beispielsweise Praktiker*innen selbst in die Reproduktion von Rassismen und Diskriminierung involviert sind oder welche Rolle die eigene Positionierung im akademisch-wissenschaftlichen Forschen und Schreiben im Hinblick auf dominantes Wissen spielt. Dominanzverhältnisse in wissenschaftlichen Diskursen werden in einem Exkurs exemplarisch am Verhältnis von Pädagogik zu ihrer kolonialen Vergangenheit aufgezeigt. Im Schwerpunkt Wirtschaft wird thematisiert, welche Rolle die neoliberale Marktwirtschaft für (Sozial)Pädagog*innen und Erziehungswissenschaftler*innen spielt. So wird erläutert, wie politisch-ökonomische Strukturen in hohem Maße die wissenschaftliche Forschung sowie die pädagogische Praxis bedingen und welche Konsequenzen, aber auch Handlungsnotwendigkeiten daraus resultieren.

Die Abschlussarbeit versteht sich als ersten Versuch, Themen und Diskurse zusammen zu führen, die bisher zum Großteil unabhängig voneinander abgehandelt wurden. Ziel ist es, eine kritische Haltung bei Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen zu fördern, die zu einer Verbesserung hochkomplexer (Welt-)Verhältnisse beiträgt. Globales Lernen wurde hierbei als Bildungskonzept vorgestellt, welches die geforderte kritische Haltung mit zu etablieren vermag. Langfristig wird eine Transformation von Sozialer Arbeit und Erziehungswissenschaft zu diversitätsbewussten, diskriminierungssensiblen, machtreflexiven, kolonialkritischen und ökologisch nachhaltigen Disziplinen angestrebt. Ökologische, wirtschaftliche, technologische, soziale und ethische Problemstellungen sollen miteinander verschränkt bearbeitet werden, um soziale Ungleichheit abzubauen und diese Welt zu einem gerechteren und weiterhin bewohnbaren Ort für alle Menschen zu machen.