Bachelorarbeit, Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften, 35 Seiten, dt.
Zusammenfassung:
Der Begriff der Partizipation war seit den 1980er Jahren immer wieder Aushängeschild von Programmen europäischer Entwicklungsorganisationen. Inzwischen ist der Begriff der Partizipation in den Hintergrund gerückt, jedoch schwingen dessen Inhalte in aktuellen Konzepten wie „Hilfe zur Selbsthilfe“, „Empowerment”, „Ownership“, „Good Governance” und „nachhaltige Entwicklung“ mit. Doch was verbirgt sich genau hinter dem Konzept der Partizipation und wie sieht es in der Praxis aus? Wie entstehen die Probleme die Theorie in die Praxis umzusetzen, von denen Entwicklungsorganisationen berichten? Die vorliegende Arbeit klärt diese Fragen aus ethnologischer Perspektive und führt hierfür vier Ethnografien an, in denen Beobachtungen aus dem Feld der Entwicklungsprojekte analysiert werden. Es handelt sich dabei um Projekte, die vom Globalen Norden ausgingen und im Globalen Süden durchgeführt wurden.
Die Hochkonjunktur des Begriffes der Partizipation in der Entwicklungspolitik folgte auf die sogenannte partizipative Wende in den 1980er Jahren. Mithilfe der Partizipation sollten Entwicklungsprogramme effizienter gemacht werden und es wurde angestrebt, die betroffene Bevölkerung selbst an den Programmen teilnehmen und teilhaben zu lassen. Hinter dem verheißungsvollen Begriff der Partizipation steckte allerdings ein recht diffuses Konzept, das sowohl Strategie als auch Ziel von Entwicklungsprojekten darstellte. Die Strategie umfasste Methoden, die der lokalen Bevölkerung mehr Mitbestimmung und Verantwortung während der Projektdurchführung einräumen sollten. Das Ziel war die Teilnahme der betroffenen Bevölkerung am politischen Leben und Teilhabe am Wohlstand und an den Leistungen der Entwicklungsmaßnahme im Anschluss an das Projekt.
In der Analyse der vier Ethnografien von Rottenburg, Mosse, Sodeik und Spies(1) zeigt diese Arbeit die Vielschichtigkeit der Probleme mit der partizipativen Entwicklungspolitik aus ethnologischer Perspektive. Rottenburg stellt fest, dass die westlichen Akteure primär unter sich arbeiteten, statt den afrikanischen Partnern Teilnahme zu gewähren. Grund dafür sei die Widersprüchlichkeit, dass die Entwicklungsorganisation die Menschen partizipieren lassen und gleichzeitig ihr eigenes Entwicklungsmodell durchsetzen wollte. Mosse schildert, dass die Entwicklungsorganisation in der Praxis in einem Patronage-Verhältnis zur lokalen Gesellschaft stand und der partizipative Ansatz lediglich Teil der Theorie war. Grund dafür war, dass die Projektangestellten primär externe Geldgeber mit messbaren Ergebnissen zufrieden stellen mussten, um das Weiterbestehen des Projekts zu sichern. Hierfür erzielten partizipative Methoden keine ausreichend ausschlaggebenden Ergebnisse und das Projektteam vernachlässigte deren Umsetzung. Sodeik erklärt den Widerspruch zwischen Theorie und Praxis damit, dass die Unterschiede der Akteure aus dem Globalen Süden und aus dem Globalen Norden so gewichtig waren, dass Diskontinuitäten als normal zu bewerten sind und der partizipative Ansatz diesen Umstand nicht grundlegend ändern kann. Spies’ zufolge ließ sich das Konzept der Partizipation nicht durchführen, da es in sich paradox war und widersprüchliche Anforderungen an einen „guten Umgang“ mit der lokalen Gesellschaft beinhaltete.
Diese ethnologischen Arbeiten zeigen, dass sich in der Realität ein anderes Bild abzeichnet, als der anfängliche Plan vermuten lässt und dass der Hoffnungsträger Partizipation als theoretisches Konstrukt entlarvt werden kann. Sei es wegen der inhärenten Widersprüchlichkeit des partizipativen Ansatzes, wie Rottenburg und Spies zeigten, sei es weil das Fortbestehen des Projekts höhere Priorität hatte, als die Umsetzung des partizipativen Ansatzes, wie Mosse analysierte, oder wegen der zu großen Unterschiede zwischen den beiden Seiten, wie Sodeik feststellte, alle Autor_innen beobachteten einen ähnlichen Mechanismus: Während Entwicklungsorganisationen in der Außendarstellung mit dem schillernden Begriff der Partizipation geworben haben, bemühten sie sich gleichzeitig darum, die davon abweichende, tatsächliche Projektaktivität hinter einer Fassade vermeintlich funktionierender, partizipativer Projektpraxis zu verstecken. Folglich sollten westliche Entwicklungsorganisationen und Geldgeber ihre ideologischen Konzepte hinterfragen und mit der tatsächlichen Projektaktivität konfrontieren, um eine nachhaltige Verbesserung von Entwicklungsprojekten zu erzielen.
1 Hierbei handelt es sich um die Werke: Richard Rottenburg (2002): “Weit hergeholte Fakten: Eine Parabel der Entwicklungshilfe”; David Mosse (2005): “Cultivating Development: An Ethnography of Aid Policy and Practice”; Eva Sodeik (1999): “Ungleiche Partner: Handlungsoptionen von lokalen Selbsthilfeorganisationen und Forstprojekten im Norden Benins” und Eva Spies (2009): “Das Dogma der Partizipation. Interkulturelle Kontakte im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit in Niger”.