Herausforderungen von Hochschulen im Kontext von Migration und Flucht – eine pädagogische Annäherung

Autor: Etzkorn, Nadine
Jahr: 2016

Masterarbeit, Fachbereich Pädagogik, 88 Seiten, dt.

Zusammenfassung:

„… wenn ich eine Vision hätte, dann wäre diese, dass Hochschulen in gesellschaftlicher Verantwortung klassische Formate verlassen und mehr mit neuen Formaten experimentieren würden“ (Interviewperson 6, 204–207).

Migration als einer der einflussreichsten Faktoren des globalen Wandels (Castles & Miller, 2009) bedeutet nicht nur Veränderungen für die migrierenden und geflüchteten Menschen selbst, sondern konfrontiert auch Politik und Bildungsinstitutionen der Aufnahmeländer mit neuen Herausforderungen. Auch Deutschland ist im Jahr 2015 Ziel umfangreicher globaler Flüchtlingsbewegungen geworden (Oltmer, 2016). Insgesamt sind mehr als 40 % der 1 Million in Deutschland eingetroffenen Geflüchteten im Alter von 18 bis unter 30 Jahren und daher von besonderer Bedeutung für das deutsche Bildungssystem (Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (vbw), 2016, S. 74–76). Vor diesem Hintergrund untersucht die vorliegende Masterarbeit mit dem Titel „Herausforderungen von Hochschulen im Kontext von Migration und Flucht – Eine pädagogische Annäherung“ die Herausforderungen, mit denen Hochschulen angesichts Studieninteressierter mit Fluchtgeschichte konfrontiert sind. Die Fragestellung impliziert die Notwendigkeit einer multidisziplinären Betrachtungsweise des Forschungsgegenstandes. Zum einen wird eine (hochschul-) politische Perspektive eingenommen, um Steuerungsprozesse von Hochschulentwicklung angesichts globaler Herausforderungen von Migration und Flucht zu betrachten. Zum anderen wird die Entwicklung zur globalen Weltgesellschaft und den daraus erwachsenen Anforderungen an Hochschulentwicklung und Hochschulbildung aus der pädagogischen Perspektive betrachtet. Demnach bewegt sich die Arbeit im Spannungsfeld zwischen politischer Steuerbarkeit von Hochschulentwicklung und pädagogischen Reaktionen auf neue Herausforderungen im Zuge globaler Entwicklungen.

Insgesamt gliedert sich die Arbeit in sechs Kapitel: Nach einführenden Bemerkungen geht es in Kapitel 2 der Arbeit um die theoretische Auseinandersetzung mit Migration und Flucht als Herausforderung für Hochschulen aus einer multiperspektivischen Sichtweise, die Migration und Flucht als politisch und pädagogisch relevantes Phänomen im Kontext der Globalisierung analysiert. Aufbauend auf dem theoretischen Teil folgen in Kapitel 3 Überlegungen zum methodischen Design der Studie. Es werden sechs leitfadengestützte Experteninterviews mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an deutschen Hochschulen und Forschungsinstituten durchgeführt und die erhobenen Daten mittels der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. In Kapitel 4 werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung vorgestellt und im Kontext der Öffnung von Hochschulen interpretiert. Darauf aufbauend werden in Kapitel 5 Schlussfolgerungen aus den empirischen Ergebnissen für die Entwicklung von Hochschulen und Hochschulbildung gezogen und Anregungen für neue Aufgaben und Handlungsfelder von Hochschulen formuliert. Abschließend wird Kapitel 6 eingeleitet durch eine bilanzierende Darstellung der Relevanz der empirischen Befunde. Daraufhin wird eine methodische Reflexion der Ergebnisse angeschlossen und ausblicksartig Impulse für zukünftige Forschung gegeben. Zentrale Ergebnisse der Arbeit sind, dass die untersuchten Hochschulen bereits auf einem guten Weg sind, aber weiterhin Handlungsbedarf besteht, um angesichts jüngster Entwicklungen von Studieninteressierten mit Fluchtgeschichte ein sich neu formierendes Handlungsfeld auszugestalten.

Im Zentrum stehen Fragen hinsichtlich der Bedürfnisse von unterschiedlichen Studierendengruppen sowie der Überarbeitung von Studienmodellen und -angeboten. Der Zugang zu einem Hochschulstudium wird Studieninteressierten mit Fluchtgeschichte durch hochschulinterne Hürden erschwert. Daher ist insbesondere der Ausbau spezifischer Angebote zur Unterstützung von Studieninteressierten mit Fluchtgeschichte von großer Bedeutung. Studierende bzw. studentische Initiativen waren maßgeblich bei der Ausgestaltung von vielfältigen Angeboten für Studieninteressierte mit Fluchtgeschichte beteiligt und sind daher in hochschulische Entwicklungsprozesse stärker einzubinden. Darüber hinaus ist die Intensivierung außerhochschulischer Kooperationen sowohl für die Stärkung lokaler Flüchtlings- und Integrationsarbeit als auch für die Wahrnehmung der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der Integration von Menschen mit Fluchtgeschichte entscheidend. Weiterhin ist die Hochschuldidaktik aufgefordert, Ansätze zu entwickeln, die Lern- und Bildungsprozesse im Kontext der Weltgesellschaft verorten. Das Konzept Globales Lernen im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung bietet dafür viele Ansatzpunkte. Die Politik kann Hochschulen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unterstützen, indem die Rahmenbedingungen für die Hochschulen derart gestaltet werden, dass die Ausstattung der Hochschulen gewährleistet wird (Hahn, 2004). Insgesamt tragen die empirischen Befunde zur Systematisierung zentraler Herausforderungen von Hochschulen im Kontext von Migration und Flucht bei und dienen der Orientierung bei der Öffnung von Hochschulen. Bevor jedoch konkrete Handlungsmaßnahmen für die Gestaltung jener Entwicklungen im Hochschulbereich abgeleitet werden können, ist weitere Forschung notwendig, um die Ergebnisse zur Öffnung von Hochschulen zu vertiefen. Sich an die Arbeit anschließende Fragen beziehen sich u.a. auf die einheitliche Entwicklung und Einführung von Verfahren, um Studieninteressierte mit Fluchtgeschichte den Zugang zu Hochschulen zu erleichtern, die strukturelle Verankerung und Evaluation der Qualität der für Studieninteressierte mit Fluchtgeschichte entwickelten Angebote an Hochschulen sowie die Flexibilisierung von Studienmodellen, um Studieren stärker zeit- und ortsunabhängig zu gestalten und somit auf unterschiedliche Lebenslagen von jungen Menschen einzugehen. Die Ergebnisse tragen zur Systematisierung zentraler Herausforderungen von Hochschulen im Kontext von Migration und Flucht bei und liefern erste Ansatzpunkte für die Praxis.