Bachelorarbeit, Fachbereich Sozialwesen, 53 Seiten, dt.
Zusammenfassung:
Das kollektive Konsumverhalten der existierenden Konsumgesellschaften erzeugt negative Folgen für Menschen und Umwelt der heutigen und zukünftigen Generationen. Auch der Konsum der deutschen Bevölkerung ist mit vielfältigen über die Grundbedürfnisbefriedigung hinausgehenden Funktionen, wie der Selbstinszenierung und -verwirklichung, verknüpft. Entsprechend ist diese als Konsumgesellschaft definierbar, die mit desaströsen sozialökologischen Auswirkungen einhergeht. Die Frage nach der Verantwortung für die aktuelle Situation mündet in der Erkenntnis, dass aufgrund der Zuschreibungsproblematik der kollektiven Konsumfolgen von einer geteilten Verantwortung zwischen politisch Agierenden, wirtschaftlichen Unternehmen sowie Konsumierenden auszugehen ist. Analog zu der Verantwortung, die Konsumierende einerseits aufgrund ihrer Nachfrage tragen, andrerseits aber auch qua Zugehörigkeit zu einer Konsumgesellschaft, versucht das Konstrukt des verantwortlichen Konsums ein Gegenmodell zum momentanen Konsumverhalten darzustellen. Der verantwortliche Konsum ist auf eine Reduzierung der negativen Konsumfolgen ausgerichtet und vereint die drei Komponenten des nachhaltigen, politischen und moralischen Konsums. Verantwortlich Konsumierende zielen entsprechend auf eine sozial, ökologisch sowie ökonomisch nachhaltige Bedürfnisbefriedigung, die die Zukunftsfähigkeit von Menschheit und Planet sichert, ab (nachhaltige Komponente), engagieren sich bürgerschaftlich gegen eine Schädigung des Allgemeinwohls (politische Komponente) und beachten in ihrem Handeln auch gesellschaftliche sowie moralische Prinzipien (moralische Komponente). Neben den handlungsleitenden Normen der sozialen und ökologischen Verträglichkeit, gilt es als Basis die Fürsorgepflicht für sich selbst zu wahren.
Auch wenn eine zunehmende Anzahl von Menschen über negative Konsumfolgen informiert ist sowie ein an Gerechtigkeit einschließendes Wertenetz vertritt, zeigt sich, dass der Großteil der deutschen Bevölkerung aufgrund vielfältiger Konsumfunktionen und zahlreicher Umsetzungshemmschwellen das eigene Handeln nicht im Sinne eines verantwortlichen Konsums gestaltet. Zur Förderung eines verantwortlichen Konsumhandelns ist neben nötigen strukturellen Änderungen die Ausbildung einer in den Lebensstil integrierten verantwortlichen Konsumkompetenz von Nöten, die die zumindest teilweise zugrundliegenden Werte und das vorhandene Wissen in alltäglichen Handlungen reproduziert. Bildungsmaßnahmen erweisen sich als elementar zur Ausbildung einer verantwortlichen Konsumkompetenz.
In der für die jugendliche Lebensphase typischen verstärkten Auseinandersetzung mit dem eigenen Lebensstil, der Identität, der Persönlichkeit und den Wertvorstellungen wird die Bedeutung des Konsumthemas erkennbar. So befriedigt das Konsumieren Bedürfnisse wie Autonomie und Selbstinszenierung und ermöglicht bereits früh die Übernahme der gesellschaftlichen Rolle des Wirtschaftsmitglieds auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Weiterhin ist die jugendliche Lebensphase aufgrund der wahrscheinlicheren Erreichbarkeit aller Lebenswelten aufgrund des Eingebundenseins im Schulsystem besonders für eine Sensibilisierung prädisponiert. Die Relevanz möglichst viele gesellschaftliche Gruppen zu erreichen ergibt sich aus der Einsicht das negative Konsumfolgen nur reduziert werden können, wenn ein verantwortlicher Konsum durch Politik, Wirtschaft sowie durch die Handlungen breiter Bevölkerungsteile unterstützt wird. Die Jugend als Lebensphase erscheint keineswegs als homogen, sodass auch Konsumpräferenzen unter anderem in Abhängigkeit vom Geschlecht, dem Alter und der Lebenswelt variieren. Auch das Wissen und die Handlungsbereitschaft in Bezug auf die sich an den verantwortlichen Konsum anschließenden Themen des Klimawandels, des Umweltschutzes sowie des kritischen Konsums unterscheiden sich entsprechend der Lebensweltzugehörigkeit und dem Bildungsstand. Insgesamt sind ein Mangel an Wissen auf unterschiedlichen Ebenen und ein fehlender Glaube an die Wirksamkeit des eigenen Handelns erkennbar.
Gemäß dieser Erkenntnisse lassen sich folgende Anforderungen an Sensibilisierungsmaßnahmen eruieren: Bildungsinstitutionen müssen zunächst den entstandenen Bildungsauftrag wahrnehmen und ihre Organisation im Sinne eines verantwortlichen Konsums umgestalten, um ihre Vorbildfunktion zu erfüllen sowie über möglicherweise irritierende Erfahrungen Lernprozesse anzustoßen. Lehrende stehen vor den Anforderungen sich das relevante Wissen anzueignen und dieses authentisch zu vertreten, um sowohl Identifikations- als auch Abgrenzungsfigur für Jugendliche darstellen zu können. Zudem gilt es ein anschlussfähiges sowie zur Partizipation anregendes Programm für möglicherweise heterogene Gruppen zu gestalten und den Teilnehmenden wertungsfrei, offen sowie wertschätzend zu begegnen, um Reflexion und Diskussion zu ermöglichen. Inhaltlich erfordert eine gelingende Sensibilisierung die grundlegende Vermittlung von sozialökologischen Konsumfolgen sowie der globalen Zusammenhänge. Auch die Frage nach der persönlichen Verantwortung sowie die Verdeutlichung der Macht der Kaufkraft spielen hier eine Rolle, nicht zuletzt um die Wirksamkeit verantwortlicher Konsumhandlungen zu beleuchten. Weiterhin sind die Reflexion des persönlichen Konsumverhaltens, der Alltagsbezug sowie das Aufdecken der nichtnatürlichen Selbstverständlichkeit des heutigen Konsumverhaltens unabdingbar, um den Weg für alternative Handlungsmuster zu öffnen. Eine Sensibilisierung erfordert weiterhin handlungsorientierte und anwendungsbezogene Methoden, die unterschiedliche Lerntypen ansprechen und das Ausprobieren von alternativen Konsumhandlungen ermöglichen, da sich dieses als besonders relevant erwiesen hat.
Charakteristisch für Jugendbildungsstätten sind das durch den Übernachtungsbetrieb ermöglichte Bilden einer Lern- und Lebensgemeinschaft, eine flexible und oftmals unbekannte Raum-Zeit-Struktur sowie eine wertschätzende und bewertungsfreie Atmosphäre. Zudem verfügen sie über ein breites Methodenspektrum, das sich durch innovative, experimentelle, gemeinschaftsfokussierende, handlungs- und erlebnisorientierte Ansätze auszeichnet. Diese besondere Konstitution prädestiniert Jugendbildungsstätten, um den vielfältigen Anforderungen zu begegnen. Durch ein fehlendes Curriculum sind diese Lernorte weitaus flexibler, um den verantwortlichen Konsum als Thema im Angebot aufzunehmen. Zudem ermöglichen die bewertungsfreie Atmosphäre, aber auch der Abstand zum Alltag, Reflexionen und kritische Diskussionen. Nicht zuletzt die flexible Raum-Zeit-Struktur solcher Lernorte und die vielfältigen Handlungsmethoden sind besonders gut geeignet um Freude und Interesse am Thema des verantwortlichen Konsums zu wecken und eine Integration einer verantwortlichen Konsumkompetenz in den Lebensstil anzuregen.
Eine Sensibilisierung für verantwortlichen Konsum stellt aufgrund der Diskrepanz zwischen Wissen und Werten einerseits und dem Verhalten andrerseits sicherlich weiterhin eine Herausforderung dar, die aber angesichts der Dringlichkeit des dahinterstehenden Themas trotzdem erfolgen sollte.