Kitabi – Unterstützung für die Traumatherapie von geflüchteten Kindern

Autor: Bishop, Delphine
Jahr: 2016

Bachelorarbeit, Fachbereich Spiel- und Lerndesign, 46 Seiten, dt.

Zusammenfassung:

Das Thema Flucht und ihre Folgen für die deutsche und europäische Politik ist aus den öffentlichen Diskursen nicht wegzudenken. Dabei hat Bildung einen hohen Stellenwert, da sie als Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe gilt. Dabei stellt sich die Frage, wie es einem starren Bildungssystem gelingt, geflüchteten Kindern und Jugendlichen Bildungsteilhabe zu ermöglichen.

Die Lebenssituation und der Lebensalltag von Geflüchteten sind aufgrund politischer und struktureller  Gegebenheiten  fremdbestimmt  und  extrem  diskriminierend.  Insbesondere  für  Kinder  und Jugendliche ist das Leben als „Flüchtling“ (re-)traumatisierend und nicht kind- bzw. jugendgerecht. Die verschärften Asylgesetze, der unzumutbare Wohnraum und Armut begleiten sie täglich. Betrachtet man die Situation geflüchteter Kinder und Jugendlicher im Bildungsbereich, erscheint ein ähnliches von Ausgrenzung geprägtes Bild. Obwohl Migration in Deutschland kein neues Phänomen darstellt und bekannt ist, dass Schulsysteme Kinder mit Migrationshintergrund exkludiert, gibt es bis heute keine handfesten und erfolgsversprechenden Konzepte, die die in der Vergangenheit gemachten Fehler in diesem Bereich berücksichtigen.

Rechtlich gesehen ist Bildung für Kinder und Jugendliche in internationalen und nationalen Gesetzten verankert. Trotz der öffentlichen Debatten um die Wichtigkeit von Bildung wird der Bildungszugang allerdings für Geflüchtete, insbesondere für diejenigen mit unsicherem Aufenthalt, besonders erschwert, wobei die Zugangsvoraussetzungen bundesweit nicht einheitlich geregelt sind, da Bildung Ländersache ist. Nach der UN-Kinderrechtskonvention soll  Bildung im besten Falle eine Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche bedeuten. Dabei hat Bildung für Geflüchtete einen besonders hohen Stellenwert, da sie oftmals die einzige Zukunftsperspektive für ein gesichertes Leben in Deutschland bedeutet. Der Spracherwerb, ein Schulabschluss und/oder eine berufliche Ausbildung ist der einzige Weg, einen sozialen (und ökonomischen) Aufstieg zu erlangen und selbstbestimmt leben zu können. Die Bildungsstudien PISA und IGLU deuten darauf hin, dass Schüler_innen mit Flucht- bzw. Migrationshintergrund nicht nur aufgrund ihrer ökonomischen oder sozialen Lebensumstände besonders benachteiligt sind, sondern dass diese Benachteiligungen durch das ausgrenzende Bildungssystem reproduziert und sogar verstärkt werden. Durch verschiedene Handlungskonzepte wie interkulturelle Arbeit, Anti-Bias und Diversity könnten Schulen ihre überholten Konzepte bereichern.

In der Praxis in München zeigt sich, dass speziell auf geflüchtete Kinder und Jugendliche ausgerichtete verschiedene Modelle der Beschulung vorhanden sind. Allerdings sind diese bis heute nicht evaluiert und die Modelle nach ihrer Effektivität nicht hinterfragt. Es zeichnen sich sehr viele parallele Modelle aus, die beweisen, dass Geflüchtete nicht in das Regelsystem inkludiert werden, nicht als „Norm“ gelten. Das Bildungssystem ist demnach nicht auf die Bildungsteilhabe aller ausgerichtet. Die Lebenssituation von geflüchteten Kindern und die damit verbundenen Unsicherheiten wirken sich extrem benachteiligend auf den individuell-kognitiven Bildungszugang und damit einhergehend auf den Bildungserfolg aus. Die vielfältigen Problemlagen in Bezug auf Wohnen, Armut  und aufenthaltsrechtliche Bedingungen der geflüchteten Kinder und Jugendlichen stehen im Vordergrund. Bei den Jugendlichen entsteht eine erhöhte Daueranspannung. Erst wenn diese Problemlagen wenigstens zum Teil aufgegriffen werden können, scheint  die individuelle Entfaltung und das Lernen möglich zu sein. Strukturelle Rahmenbedingungen dafür werden nur bedingt bzw. kaum geschaffen. Aus der Praxis wird von knappen Ressourcen und Kapazitäten berichtet, die günstige Bedingungen für Bildung verhindern.

Die Heterogenität der geflüchteten Kinder und Jugendlichen wird als Herausforderung für die Arbeit an Schulen dargestellt. Allerdings ist diese Herausforderung durch äußere und strukturelle Umstände zu solch einer gemacht, da Schule ein System darstellt, das auf Homogenität ausgerichtet ist. Schule in seiner jetzigen Form ist ausschließlich auf homogene, autochthone Kinder zugeschnitten. Gesellschaftliche Teilhabe wird geflüchteten Kindern und Jugendlichen defacto in allen Bereichen verwehrt. Sowohl der Lebensraum als auch der Bildungsraum sind selektierend und segregierend. Kinder und Jugendliche werden materiell, räumlich und symbolisch in beiden Bereichen ausgegrenzt. Die Idee, durch Bildung eine Chancengleichheit zu erreichen, scheitert, da soziale  Ungleichheit durch Schulen reproduziert wird. Erst wenn Geflüchtete als ein Teil der Gesellschaft anerkannt werden, können sie auch als Teil der Regelsysteme verstanden werden. Dafür müssen alle Schulen inklusiv werden und ihr Homogenitäts- und Selektionsdenken sowie ihren monolingualen Habitus ablegen. Um optimale Bildungsvoraussetzungen für geflüchtete Kinder und Jugendliche zu schaffen, müssten zunächst die äußerst schwierigen Lebens- und Rahmenbedingungen geändert werden. Rechtliche  Reglementierungen, Diskriminierung, (physische,  psychische  und seelische) Gesundheit sowie weitere Lebensumstände beeinflussen den Bildungsverlauf von Kindern und Jugendlichen erheblich. Die permanente Unsicherheit und Angst vor Abschiebung sowie ein Leben in Armut und Fremdbestimmung hindern die Bildungsaneignung Kinder und Jugendlicher enorm.