Masterarbeit, Fachbereich Economics, 170 Seiten, engl.
Zusammenfassung:
Zugewanderte, also im Ausland geborene Personen, sind auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Durchschnitt weniger erfolgreich als Einheimische. Selbst wenn man Faktoren wie Alter, Bildungsabschluss und Arbeitserfahrung berücksichtigt, sind ihre Einkommen niedriger (Pischke 1992, Dustmann 1993). Zudem sind Zugewanderte in Deutschland mit geringerer Wahrscheinlichkeit erwerbstätig und mit höherer Wahrscheinlichkeit arbeitslos (OECD 2018). Die ökonomische Forschung hat verschiedene Erklärungsansätze für das schlechtere Abschneiden von Zugewanderten auf dem Arbeitsmarkt diskutiert, darunter insbesondere fehlende Sprachkenntnisse (Chiswick und Miller 1995) und Diskriminierung (Bertrand und Mullainathan 2004). Die vorliegende Masterarbeit untersucht einen weiteren Erklärungsansatz, dem in der ökonomischen Literatur bisher wenig Beachtung geschenkt wurde: Zugewanderte sind auf dem deutschen Arbeitsmarkt auch deshalb weniger erfolgreich als Einheimische, weil sie sich im Vergleich zu Einheimischen weniger gut mit den Besonderheiten des deutschen Arbeitsmarktes auskennen (Kalter und Kogan 2006, OECD 2007). Die Masterarbeit illustriert dies anhand der berufsvorbereitenden Aktivitäten von Studierenden, zu denen insbesondere Praktika, Studentenjobs sowie ehrenamtliches und soziales Engagement gehören. Solche Aktivitäten haben für Studierende beim Berufseinstieg eine besondere Bedeutung. In einer Vielzahl von Studien wurde festgestellt, dass sich berufsvorbereitende Aktivitäten wie Praktika oder ehrenamtliches Engagement positiv auf Löhne und die Wahrscheinlichkeit einer Rückmeldung auf eine Bewerbung auswirken (Day und Devlin 1998, Nunley et al. 2016, Saniter et al. 2016, Baert und Vujic 2018).
Methodik und Ergebnisse
Die Masterarbeit besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil der Masterarbeit wird untersucht, ob sich zugewanderte und einheimische Studierende hinsichtlich ihrer berufsvorbereitenden Aktivitäten unterscheiden. Zu diesem Zweck werden 580 Lebensläufe von Studierenden verschiedener Fachrichtungen untersucht. Anhand der auf dem Lebenslauf aufgeführten Sprachkenntnisse werden die Studierenden in drei Gruppen eingeteilt: zugewanderte Studierende (Deutsch ist keine Muttersprache), Studierende mit Migrationshintergrund (weitere Muttersprache neben Deutsch) und einheimische Studierende (Deutsch ist einzige Muttersprache). Die auf dem Lebenslauf gemachten Angaben zur Schulbildung verdeutlichen, dass ein Großteil der gemäß dieser Definition als Zugewanderte klassifizierten Studierenden aus Nicht-OECD-Staaten stammt und erst nach Abschluss der Schule nach Deutschland eingewandert ist.
Bei der anschließenden empirischen Analyse werden lineare Regressionsmodelle und Probit-Modelle eingesetzt. Die Ergebnisse zeigen, dass zugewanderte Studierende etwa 60 % weniger Praktika und rund 35 % weniger Studentenjobs auf ihrem Lebenslauf aufführen als einheimische Studierende. Zudem weisen zugewanderte Studierende gemäß ihrem Lebenslauf eine 30 % (75 %) geringere Wahrscheinlichkeit auf, ehrenamtlich (sozial) engagiert zu sein. Diese Unterschiede werden in einer Befragung unter 204 Studierenden der Betriebswirtschaftslehre an drei deutschen Universitäten bestätigt. Die Ergebnisse der Befragung verdeutlichen zudem, dass die Unterschiede noch größer ausfallen, wenn statt der Sprachkenntnisse das Geburtsland der Studierenden und das Geburtsland ihrer Eltern herangezogen werden, um die Studierenden in Zugewanderte, Einheimische und Studierende mit Migrationshintergrund einzuteilen.
Im zweiten Teil der Masterarbeit wird untersucht, ob sich die beobachteten Unterschiede in den berufsvorbereitenden Aktivitäten zwischen zugewanderten und einheimischen Studierenden dadurch erklären lassen, dass sich zugewanderte Studierende im Vergleich zu einheimischen Studierenden weniger gut mit den Gepflogenheiten des deutschen Arbeitsmarktes auskennen. Anhand der Angaben der Studierenden in der Befragung wird gezeigt, dass zugewanderte Studierende zwar etwa genauso viele Praktikumsbewerbungen versenden wie ihre einheimischen Kommilitoninnen und Kommilitonen, ihre Praktikumsbewerbungen aber seltener erfolgreich sind. Die Ergebnisse deuten an, dass dies auch dadurch bedingt ist, dass zugewanderte Studierende weniger mit den Besonderheiten einer deutschen Bewerbung vertraut sind: Zugewanderte Studierende weisen eine rund 30 % geringere Wahrscheinlichkeit auf, eine Reihe von Fragen zu den typischen Eigenschaften einer deutschen Bewerbung richtig zu beantworten. Darüber hinaus stimmen sie im Vergleich zu einheimischen Studierenden mit signifikant niedrigerer Wahrscheinlichkeit der Aussage zu, dass es vorteilhaft ist, ehrenamtliches Engagement auf dem Lebenslauf zu haben.
Anhand einer Literaturübersicht werden im weiteren Verlauf der Masterarbeit zehn alternative Erklärungsansätze für die beobachteten Unterschiede in den berufsvorbereitenden Aktivitäten zwischen zugewanderten und einheimischen Studierenden aufgelistet. Sofern möglich, wird empirisch überprüft, ob diese Erklärungsansätze mit den aus den Lebensläufen und Fragebögen gewonnenen Daten vereinbar sind. Die Ergebnisse zeigen auf, dass die Unterschiede in den berufsvorbereitenden Aktivitäten nicht auf geringere kognitive Fähigkeiten oder schlechtere Studiennoten zugewanderter Studierender zurückzuführen sind. Auch die Hypothese, dass zugewanderten Studierenden weniger Zeit für berufsvorbereitende Aktivitäten bleibt, weil sie mehr Zeit für das Studium oder eine Erwerbstätigkeit neben dem Studium aufbringen müssen, wird durch die vorliegenden Daten nicht gestützt. Das Gleiche gilt für die Hypothese, dass zugewanderte Studierende geringeres Interesse an berufsvorbereitenden Aktivitäten haben, weil sie mit höherer Wahrscheinlichkeit planen, im Ausland zu arbeiten oder sich selbstständig zu machen. Mit den Daten vereinbar ist hingegen die Hypothese, dass zugewanderte Studierende auch deshalb seltener berufsvorbereitenden Aktivitäten nachgehen, weil ihr soziales Netzwerk hierbei weniger Unterstützung bietet, als dies bei einheimischen Studierenden der Fall ist.
Im dritten Teil der Masterarbeit wird ein Feldexperiment vorgeschlagen. Mit diesem kann überprüft werden, ob sich die Arbeitsmarktintegration zugewanderter Studierender verbessern lässt, indem sie im ersten Studiensemester an einem Informations-Workshop teilnehmen. In dem Workshop wird zufällig ausgewählten Studierenden erklärt, warum berufsvorbereitende Aktivitäten beim Arbeitsmarkteintritt wichtig sind und wie man sich in Deutschland erfolgreich um ein Praktikum oder einen Job bewirbt.
Implikationen für die Politik
Die Ergebnisse der Masterarbeit deuten an, dass die Arbeitsmarktintegration zugewanderter Studierender verbessert werden könnte, wenn ihnen die Besonderheiten des deutschen Arbeitsmarktes vermittelt würden. Damit unterstreicht die Masterarbeit die Bedeutung von Informationsveranstaltungen wie sie auch vom World University Service durchgeführt werden, um zugewanderte Studierende auf einen Berufseinstieg in Deutschland vorzubereiten. Darüber hinaus zeigt die Masterarbeit, dass sich solche Informationsangebote explizit auch an zugewanderte Studierende richten sollten, die ihr Studium gerade erst begonnen haben. Denn die beobachteten Unterschiede in den Lebensläufen zugewanderter und einheimischer Studierender ergeben sich bereits in den ersten Studienjahren. Selbstverständlich sollte evaluiert werden, ob Informationsveranstaltungen, die Kenntnisse zu den Besonderheiten des deutschen Arbeitsmarktes vermitteln, zugewanderten Studierenden tatsächlich den Berufseinstieg in Deutschland erleichtern. Das in der Masterarbeit vorgeschlagene Feldexperiment verdeutlicht, wie eine solche Evaluation aktuellen wissenschaftlichen Standards entsprechend durchgeführt werden sollte.
Literaturverzeichnis
Baert, S., und S. Vujić (2018): „Does It Pay to Care? Volunteering and Employment Opportunities,” Journal of Population Economics, 31(3), 819-836.
Bertrand, M., und S. Mullainathan (2004): „Are Emily and Greg More Employable Than Lakisha and Jamal? A Field Experiment on Labor Market Discrimination,” American Economic Review, 94(4), 991-1013.
Chiswick, B. R., und P. W. Miller (1995): „The Endogeneity between Language and Earnings: International Analyses,” Journal of Labor Economics, 13(2), 246-288.
Day, K. M., und R. A. Devlin (1998): „The Payoff to Work without Pay: Volunteer Work as an Investment in Human Capital,” Canadian Journal of Economics, 31(5), 1179-1191.
Dustmann, C. (1993): „Earnings Adjustment of Temporary Migrants,” Journal of Population Economics, 6(2), 153-168.
Kalter, F., und I. Kogan (2006): „Ethnic Inequalities at the Transition from School to Work in Belgium and Spain: Discrimination or Self-Exclusion?” Research in Social Stratification and Mobility, 24(3), 259-274.
Nunley, J. M., A. Pugh, N. Romero, und R. A. Seals Jr. (2016): „College Major, Internship Experience, and Employment Opportunities: Estimates from a Résumé Audit,” Labour Economics, 38, 37-46.
OECD (2007): Jobs for Immigrants (Volume 1): Labour Market Integration in Australia, Denmark, Germany and Sweden. Paris: OECD Publishing.
OECD (2018): International Migration Outlook 2018. Paris: OECD Publishing.
Pischke, J.-S. (1992): „Assimilation and the Earnings of Guestworkers in Germany,” ZEW Discussion Paper No. 92-17.
Saniter, N., M. Schumann, und T. Siedler (2016): „Door Opener or Waste of Time? The Effects of Student Internships on Labor Market Outcomes,” Beiträge zur Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik 2016: Demographischer Wandel - Session: Labor and Training, No. D20-V2.