Bachelorarbeit, Fachbereich Soziale Arbeit, 98 Seiten, engl.
Summary:
After the border closure and the implementation of the EU-Turkey agreement in 2016, thousands of refugees and migrants were and still are stuck in so called transit countries such as Greece. This is especially the reality of countless single mothers and children who are “at risk of psychosocial distress” and find themselves in a “protracted state of limbo”.
Based on the author’s personal experience of working in a refugee housing project in Athens in 2016, this study focuses on human strengths and positive response towards adverse experiences in order to highlight refugee’s strong and resourceful survivor processes.
What are refugees neutral (resilience) and positive (posttraumatic growth) responses to traumatic experiences caused by war and displacement, specifically in the transitional phase? In which way do their experiences strengthen them? Is growth after adversity possible? After explaining the circumstances and traumatic events refugees may face during the migration trajectories, the impact on mental and psychosocial health will be further highlighted. Moreover, human responses to adversities caused by war and displacement are focused on. The concepts of resilience and posttraumatic growth, being two possible reactions to traumatic events are explained. Additionally, protective factors and the meaning of culture are being examined.
The empirical study explores possible resilience and posttraumatic growth processes of seven refugee women from Syria and Iraq that are living in transit in Greece. Results are analysed with reference to existing theories and their validity and new theories and hypothesis are explored.
Zusammenfassung:
Nach der Grenzschließung und der Einführung des EU-Türkei Abkommens im Jahr 2016 blieben unzählige geflüchtete Menschen in sog. Transitändern wie Griechenland stecken. Dieser Realität waren vor allem Alleinreisende Mütter mit ihren Kindern ausgesetzt, die mit der Hoffnung der Familienzusammenführung mit ihren Angehörigen in Drittstaaten nach Europa gekommen waren. Gefangen in einem langwierigen Schwebezustand („protracted state of limbo“), in dem stetige Unsicherheit über Aufenthalt und Weiterreise herrscht, gekoppelt mit den Herausforderungen des Lebens in einem Geflüchtetencamp und dem Getrenntsein von Familie und Angehörigen, kann psychologisch enorm belastend sein (UNICEF, 2017).
Im Rahmen meines Bachelorstudiums Soziale Arbeit Plus – Migration und Globalisierung habe ich den praktischen Teil meines Auslandsjahres in einer Einrichtung für geflüchtete Menschen in Griechenland/Athen absolviert. Welcommon, eine integrative Unterkunft für Geflüchtete und vulnerable Gruppen in Athen, hatte sich zum Ziel gesetzt ein Schutzort für Menschen in Not zu sein und zugleich soziale Inklusion zu fördern. Das Projekt wurde aus der Kooperative zwischen der griechischen NGO „Wind of Renewal“ und der Stadt Athen ins Leben gerufen und wurde im Rahmen des Umsiedelungsprogrammes des UNHCR gefördert. Meine Aufgaben lagen vor allem im administrativen und pädagogischen Bereich. Menschen, die in diese Einrichtung kamen, hatten meistens bereits Monate in einem Camp auf einer griechischen Insel oder anderen Teilen des Landes verbracht. Welcommon sollte für viele die letzte Station in Griechenland vor der Familienzusammenführung oder der Umsiedelung in einen europäischen Drittstaat sein. Herkunftsländer der Betroffenen waren im Herbst 2016 vor allem Syrien, Irak und Palästina. Auffällig war die große Anzahl an Alleinreisenden Müttern mit Kindern, welche von der Stadt Athen in die Unterkunft gebracht wurden. Da zu der Zeit viele Geflüchtete Menschen die vielversprechende Strategie des Vorreisens eines männlichen Familienangehörigen in ein beliebtes europäisches Land wie Deutschland oder Schweden und der Aussicht auf Antrag auf Familienzusammenführung verfolgten, wurde deutlich, wieso sich vor allem Frauen und Kinder in den griechischen Unterkünften befanden.
Diese Tatsache ließ mich darüber nachdenken, mit welchen Herausforderungen diese Frauen auf ihren zum Teil lebensgefährlichen Weg von ihren Heimatländern nach Europa konfrontiert waren und sind. Ich habe Frauen getroffen, die auf Grund von Behördenversagen wochenlang mit ihren Kindern im Gefängnis ausgeharrt haben, von einem notdürftigen Camp ins nächste umgesiedelt wurden, mit stetigen legalen Unsicherheiten konfrontiert waren und gleichzeitig Verantwortung für ihre Kinder getragen haben. Wie haben es diese Frauen geschafft, trotz all dieser Stressoren und Unsicherheiten, weiterhin positiv und stark zu bleiben?
In Folge dessen habe ich mich mit der Forschung um die Theorien von Resilienz und Posttraumtischen Wachstum (Posttraumatic Growth) auseinandergesetzt mit dem Ziel, wissenschaftlich fundierte Antworten auf das starke Verhalten dieser Frauen zu finden. Meine Forschungsfragen waren dabei folgende: What are refugee women’s neutral (resilience) and positive (posttraumatic growth) responses to traumatic experiences caused by war and displacement specifically in the transitional phase? In which way do their experiences strengthen them? And is growth after adversity possible?
Mit dieser Arbeit wollte ich der dominierenden Darstellung von Geflüchteten Menschen als passive, handlungsunfähige, traumatisierte Opfer entgegenwirken und stattdessen den Fokus auf menschliche Ressourcen und Stärken richten. Darüberhinaus habe ich mich auf die Zeit des Transits konzentriert, da zum einen wenig Literatur zu dieser Migrationsphase zu finden ist und ich zum anderen beleuchten wollte, welchen Stressoren Menschen in dieser Phase ausgesetzt sind und welchen Einfluss sie haben können, vor allem wenn aus Transit ein Dauerzustand wird (wie am Beispiel Griechenlands).
In der Arbeit wird zunächst auf die Charakteristika der diversen Migrationsphasen eingegangen und auf Grundlage des ADAPT Modells nach Derek Silove erläutert, welche psychosozialen Wirkungen die jeweiligen Umstände in den Migrationsphasen auf einen Menschen haben können. Darüber hinaus werden die verschiedenen möglichen Reaktionen auf traumatische Ereignisse nach dem Trauma Modell von Renos K. Papadopoulos erläutert. Führende Wissenschaftlerinnen aus dem Bereich der Geflüchteten- und Gesundheitsforschung heben hervor, dass sich die Forschung vor allem auf die negativen Reaktionen wie Posttraumatische Belastungsstörung (PTSB) konzentriert, dies jedoch dazu führt, dass „these emphases tend to medicalize people’s reactions to violent situations and traumatic events rather than seeing their experiences as part of an adaptive response to an extraordinary predicament” (Afana et al., 2010). Die Forschung belegt, dass nur ein geringer Prozentsatz an betroffenen Personen in Post-Kriegs Gesellschaften PTSB entwickeln und Formen der positiven Anpassung zu wenig Beachtung geschenkt wird. Resilienz und Posttraumtisches Wachstum werden dann als zwei Formen von positiver Anpassung an widrige Lebensumstände definiert und vor dem kontextuellen Hintergrund von Kultur als bedeutender Einflussfaktor von Anpassung beleuchtet. Darüber hinaus werden Schutzfaktoren aufgezeigt, die Resilienz und Posttraumatisches Wachstum fördern und stärken können.
Der qualitative Teil der Forschungsarbeit stützt sich auf Interviews mit sieben geflüchteten Mädchen und Frauen aus Syrien und Irak, im Alter zwischen 15 und 48 Jahren wohnhaft in Athen. Die Interviews wurden in zwei sozialen Einrichtungen für Geflüchtete Menschen in Athen geführt. Der semi-strukturierte Interviewleitfaden wurde auf Arabisch übersetzt und Interviews auf Arabischer Sprache mit Hilfe einer Übersetzerin geführt. Die Fragen bezogen sich auf stärkende Prozesse während der Migrationsphasen sowie auf das persönliche Wachsen an Herausforderungen. Die Ergebnisse wurden dann von einem Übersetzer zurück ins Englische übersetzt und auf Grundlage der qualitativen Auswertungsmethode nach Philip Mayring induktiv und deduktiv analysiert.
Mit Hilfe eines Kategoriensystems wurden die Antworten der Teilnehmerinnen in vier Kategorien aufgeteilt: community perspectives on strength, individual perspectives on strength, sources of strength on the journey and in transit, growth processes. In dazugehörigen Unterkategorien wurden die spezifisch genannten Schutzfaktoren näher erläutert. Die Auswertung der Interviews hat unter anderem ergeben, dass die stärksten Schutzfaktoren für die betroffenen Frauen soziale Unterstützung waren. Entweder von Familienmitgliedern, Menschen aus der Community oder der Kontakt zu griechischen und internationalen Helferinnen von nationalen und internationalen Einrichtungen und NGOs. Zudem wurde deutlich, dass ihnen die Möglichkeit ihre Ressourcen und Fähigkeiten aktiv einzubringen ein Gefühl von Autonomie und Anerkennung gegeben hat. Die Möglichkeit zu arbeiten, gesehen und gehört zu werden, sei es informell oder formell, macht deutlich welche Bedeutung dies für die positive Entwicklung einer Person unter den widrigen Umständen der jeweiligen Migrationsphasen haben kann. Bedeutend sind auch kognitive Prozesse, wie das Erlernen neuer Fähigkeiten und die Möglichkeit Bildungs- und Arbeitsaspirationen zu verwirklichen. Zudem hat die Analyse ergeben, dass Religion, ein Faktor, der häufig als wesentlicher Schutzfaktor in der Literatur genannt wird, sich bei diesen Frauen als nicht besonders essentiell erwiesen hat.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die erarbeiteten Quellen von Resilienz und Posttraumatic Growth sich in dieser Forschungsgruppe als bedeutsam erwiesen haben. Gleichzeitig haben die Ergebnisse neue Aspekte hervorgebracht, die Raum für Hypothesenbildungen geben. Auch lassen sich Implikationen für Sozialarbeiterinnen und andere professionelle Akteurinnen formulieren.