Masterarbeit, Fachbereich Kunstpädagogik, 109 Seiten, dt.
Zusammenfassung:
Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Arbeit ist der steigende Trend um die kreative Arbeit mit Geflüchteten, welcher seit den letzten eineinhalb Jahren zu beobachten ist. Diese Entwicklungen gehen zurück auf die aktuelle politische Lage in Deutschland, die stark von den ansteigenden Zahlen Asylsuchender geprägt ist. Es herrscht eine drastische Asylpolitik in Deutschland, Menschen werden vermehrt abgeschoben und die europäischen Grenzen geschlossen. Gleichzeitig reagiert die Kulturpolitik auf diese gesellschaftlichen Entwicklungen mit Integrationsprogrammen für kulturelle Teilhabe und die Förderung einer vielfältigen Gesellschaft. Die Hoffnung liegt darin, dass durch Kulturelle Bildung Begegnungen geschaffen werden und damit ein Beitrag zur Akzeptanz und Toleranz gegenüber Menschen mit Fluchthintergrund geschaffen wird. Viele Kunst- und Kulturschaffende arbeiten bereits mit dieser Zielgruppe und versuchen, sich durch diverse Vernetzungstreffen auszutauschen und das Feld zu professionalisieren. Dennoch besteht die Gefahr, dass Geflüchtete für die Projektarbeit ausgenutzt werden, da es momentan zu einem Trend geworden ist, über den sich Einrichtungen und Einzelpersonen profilieren wollen. Vor diesem Hintergrund wird in dieser Arbeit der Frage nachgegangen, welche Potentiale und Chancen eine transkulturelle Kunstvermittlung bietet, um eine nachhaltige Entwicklung in Form von kultureller Teilhabe für Menschen mit Fluchthintergrund zu ermöglichen.
Zu Beginn der Forschungsarbeit werden die theoretischen Grundlagen angrenzender Themenfelder dargestellt. Hierfür werden zunächst relevante Begrifflichkeiten der Kulturellen Bildung im Kontext von Diversität und Nachhaltigkeit definiert. Anschließend werden die politischen Dimensionen einer Migrationsgesellschaft erläutert. Darauf aufbauend wird das Konzept der Transkulturalität erläutert und der vorhandene kunstpädagogische Fachdiskurs beleuchtet, welcher sich mit den Potentialen einer transkulturellen Kunstvermittlung beschäftigt. Der theoretische Teil endet mit der Definition von Menschen mit Fluchthintergrund. Anschließend werden anhand einer biografischen Teilanalyse die Auswirkungen transkultureller Begegnungsprojekte auf die nachhaltige Entwicklung eines Einzelfalls untersucht und herausgearbeitet, welche Teilhabechancen sich dadurch eröffnen. Abschließend werden die Erkenntnisse der biografischen Einzelfallanalyse mit den theoretischen Dimensionen verglichen und die Forschungsfrage beantwortet.
Grundlage der Forschungsarbeit ist die Biografie eines jungen Mannes, der von Syrien nach Deutschland geflohen ist. Anhand seiner biografischen Entwicklungen wird geprüft, inwiefern transkulturelle Bildungsprozesse in Form von kunstpädagogischen und künstlerischen Interventionen einen nachhaltigen Einfluss auf seine kulturellen Teilhabechancen nehmen. Das Fallbeispiel zeigt, dass es nicht ausreicht ein einziges Begegnungsprojekt zu initiieren, um nachhaltige Projektarbeit in der Migrationsgesellschaft zu leisten. Vielmehr ist es die Vielfalt an künstlerischen Aktivitäten über einen längeren Zeitraum, durch die kulturelle Teilhabechancen entstehen. Kunstvermittler*innen fungieren dabei als Wegbereiter*innen und bilden eine Brücke zwischen den Kulturinstitutionen und der Zielgruppe. Institutionelle Zugangsbarrieren für Menschen mit Fluchthintergrund können demnach durch Projekte an einem Kunstmuseum abgebaut werden. Im selben Moment erweitert das Museum seine Besuchsgruppen. Trotz alledem bleibt es den Häusern selbst überlassen ihre Strukturen so zu verändern, dass auch Menschen, die eine andere Sprache sprechen oder aus einem anderen soziokulturellen Kontext kommen, angesprochen werden. Durch den Abbau der vorhandenen Machtstrukturen an Museen, wie es der educational turn fordert, könnte dies erreicht werden. Eine Durchmischung des Mitarbeiterteams wäre zum Beispiel eine Möglichkeit, um dies voranzutreiben und eine transkulturelle Öffnung der Museen zu fördern. Daneben sollte die Teilnahme an transkulturellen Projekten stets freiwillig stattfinden, um nicht dem Trendphänomen zu folgen, Geflüchtete für künstlerische und kulturpolitische Zwecke auszunutzen. Gleichzeitig führt die mediale Aufmerksamkeit und die gesellschaftliche Brisanz des Themas Flucht und Asyl dazu, dass vermehrt Fördergelder für Projekte mit Geflüchteten bereitgestellt werden. Dies wirkt sich wiederum positiv auf die Projektarbeit aus, da sich immer mehr Kunstvermittler*innen auf diese Zielgruppe spezialisieren und etwas an den vorhandenen Strukturen verändern möchten.
Letztlich sollte man bei transkulturellen Projekten nicht mehr zwischen den Zielgruppen unterscheiden, sondern gleichberechtigte Angebote für Menschen mit und ohne Fluchthintergrund schaffen, die eine gemeinsame Gestaltung der Migrationsgesellschaft ermöglichen. Den Ergebnissen zufolge bedingt der aktuelle Trend in der Kulturpolitik somit die nachhaltige Entwicklung von Geflüchteten. Auf Grund dessen lässt sich auf die Forschungsfrage keine lineare Antwort finden. Vielmehr sollte die Präsenz des Themas genutzt werden, um noch mehr Projekte zu initiieren und Integrationsprozesse voranzutreiben. Transkulturelle Programme bieten lediglich Einstiegsmöglichkeiten für Menschen mit Fluchthintergrund, um längerfristige Teilhabechancen zu ermöglichen. Nach wie vor bleibt es aber die Aufgabe einer Migrationsgesellschaft kulturelle Teilhabe für Menschen mit Fluchthintergrund zuzulassen.