Weltweiter Bildungszugang?! Ziel 4 der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung

Autor: Graap, Katharina
Jahr: 2019

Bachelorarbeit, Fachbereich Kultur- und Sozialwissenschaften, 290 Seiten, dt.

Zusammenfassung:

Die vorliegende Arbeit macht sich auf die komplexe Suche, wie die Umsetzung des Ziels 4 der Agenda 2030 gelingen kann und sucht konkrete Antworten auf die Forschungsfrage: „Welche Faktoren beeinflussen die Umsetzung des Ziels (SDG) 4?“

Um unerfüllbaren Erwartungen entgegen zu wirken, sollte den Leser*innen bereits zu Beginn deutlich gemacht werden, dass die vorliegende Arbeit an Grenzen stößt. Es wird nicht möglich sein, die jeweiligen Faktoren, die die Umsetzung in einem jeweiligen Land individuell beeinflussen zu analysieren. Weiterhin kann die jeweilige Situation in einem einzelnen Land nicht dargestellt und analysiert werden. Daher bleiben die Faktoren allgemein und sind nicht auf ein einzelnes Land fokussiert. Es wird der Versuch unternommen einen Gesamtüberblick über beeinflussende Faktoren zu erhalten und dennoch nicht nur Handlungsempfehlungen darzulegen, sondern diese auch kritisch zu hinterfragen und zu analysieren.

Um die Forschungsfrage beantworten zu können, wird innerhalb des theoretischen Rahmens die Idee von Bildung und die Bildungsreform von Wilhelm von Humboldt sowie die Herausforderungen, welche die Globalisierung an die Bildung stellt, anhand von Klaus Seitz näher betrachtet. Darauffolgend wird die Agenda 2030 vorgestellt, der Begriff der Nachhaltigkeit definiert und die 17 Nachhaltigkeitsziele und deren Entstehungsgeschichte werden erläutert, um schließlich das Ziel 4 (und dessen Unterpunkte) der Agenda 2030 genauer zu durchleuchten.

Hierbei werden Daten und Zahlen ausführlich dargestellt, damit ein Überblick über die derzeitige Situation entstehen kann. Darauf folgend werden kritische Überlegungen zur Agenda 2030 und zu Ziel 4 dargestellt. Hierbei geht es primär um die Themen: „utopische“ Zielsetzung, Steuerungsparadigmen, rechtliche Rahmen und allgemeine Rahmenbedingungen, muslimische Staaten, nationale Bildungsplanung und Bildungspolitik, der Kontext im jeweiligen Land, die „Unverbindlichkeit“ der Agenda 2030 und die Verantwortlichkeit der jeweiligen Staaten, den Kapitalismus und die kapitalistische Wirtschaftsordnung, Transformationsprozesse, Objektivierung von Schüler*innen in Schulen, Digitalisierung, Globalisierung sowie „erstrebenswerte“ Lebensstile im globalen Norden, Kurzsichtigkeit sowie Bewältigungsstrategien und soziale Gerechtigkeit.

Mit Hilfe der Dokumentenanalyse nach Philipp Mayring werden die folgenden Dokumente auf Faktoren, welche die Umsetzung des Ziels 4 beeinflussen, analysiert: UNICEF-Report 2018, UNESCO-Weltbildungsbericht 2017/2018 („Verantwortung für Bildung“), Weltbildungsbericht 2019 („Migration, Flucht und Bildung“) und die Bildungsagenda 2030 (Aktionsrahmen für die Umsetzung von Sustainable Development Goal 4). Die genannten Dokumente werden mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring ausgewertet. Angesichts der umfangreichen Dokumente und der damit einhergehenden Datenmenge wird die zusammenfassende Inhaltsanalyse ausgewählt und angewendet. Hierfür werden die folgenden Kategorien gebildet:
K°1: Akteure, K°2 Finanzierung, K°3 Rahmenbedingungen, K°4 Soziales Umfeld, K°5 Individuelle Faktoren, K°6 Bildungseinrichtungen und K°7 Empfehlungen. Aufgrund von einer zu hohen Menge an Daten, einem zu tiefen Eindringen in Details und einer vielfachen Doppelung an gewonnenen Erkenntnissen, wird ein weiterer (zweiter) Durchlauf der zusammenfassenden Inhaltsanalyse vorgenommen. So entsteht am Ende des zweiten Durchlaufs eine überschaubarere Datenmenge.

Anschließend werden die gewonnenen Daten und Erkenntnisse interpretiert. Dabei können an dieser Stelle nicht alle Faktoren explizit genannt und diskutiert werden. (Ein konkreter, detaillierter und stichpunktartiger Überblick über die Faktoren, welche die Umsetzung von Ziel 4 beeinflussen findet sich im Anhang der Thesis 9.6 (S.58-62) oder Kapitel 5.2 Interpretation der Ergebnisse (S.36-51).) So werden die Erkenntnisse an dieser Stelle nur oberflächlich dargestellt: Die Klärung der Zuständigkeiten, Verbindlichkeit und Verantwortlichkeiten, sowie eine gute Zusammenarbeit der einzelnen Akteure ist eine Grundvoraussetzung zur Umsetzung des Ziels 4. Eine gute Zusammenarbeit meint, dass keine Regierung, kein Land und kein*e Akteur*in benachteiligt wird oder auf dessen Kosten gewirtschaftet wird. Eine weitere grundlegende Voraussetzung ist, dass im jeweiligen Land Frieden und Sicherheit herrscht (SDG 16), eine angemessene Versorgung an Lebensmitteln (Kein Hunger SDG 2) und (Trink-)Wasser, sowie sanitären Einrichtungen (SDG 6) und medizinischer Versorgung (SDG 3). Diese „grundlegenden“ Dinge müssen gewährleistet sein, bevor die Bildungsdiskussion „richtig“ beginnen kann. Bildung in Not und Konfliktsituationen bleibt eine große Herausforderung und braucht unbedingt Priorisierung.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Geschlechtergleichheit (SDG 5 und SDG 10). Es wird deutlich, dass die Umsetzung von Ziel 4 in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis zur Umsetzung der genannten Nachhaltigkeitsziele steht. Eine weiterhin entscheidende Rolle bei der Umsetzung von SDG 4 tragen die jeweiligen Kontexte, Kapazitäten, nationale Gegebenheiten, Realitäten und (politische) Prioritäten des jeweiligen Landes (vgl. Kapitel 3.2). Der am häufigsten genannte Faktor, der die Umsetzung von SDG 4 beeinflusst, ist Armut (SDG 1). Armut ist letzten Endes „nur“ ein Symptom der globalen Ungerechtigkeit. Diese gilt es grundlegend zu bekämpfen, hin zu einer globalen Gerechtigkeit. Die Wege dorthin sind nur durch Bildung und Bewusstmachen der derzeitigen Zustände zu erreichen. Es existieren bereits vielversprechende Bildungskonzepte (siehe SDG 4.7, Kapitel 3.3), die zu diesem Umdenken, zu dieser globalen Gerechtigkeit führen könnten, allerdings bedarf es derzeit noch einer stärkeren Implementierung dieser Bildungskonzepte (BNE, globales Lernen und GCED) in die Bildungspolitik, Bildungssysteme, Bildungs- und Lehrpläne. Derzeit behandeln nur 7% der angehenden Lehrer*innen während ihrer Ausbildung Bildung für nachhaltige Entwicklung (vgl. Kapitel 3.3 Unterpunkt 4.7). Es stellt sich weiterhin die Frage, warum politische Ziele wie auch das Ziel 4 der Agenda 2030 nur „zäh“ umgesetzt werden. Hüther antwortet auf diese Frage in Kapitel 3.4 und rechtfertigt ein „Nicht-Reagieren“ dadurch, dass sich erst etwas ändern kann und wird, wenn ein einzelner Mensch von etwas berührt oder betroffen wird, da ansonsten für die jeweiligen Probleme das Bewusstsein fehlt.

Weiterhin beschreibt Hüther, dass sich die Vorstellungen darüber worauf es im Leben ankommt weltweit ausbreiten: Der tiefe Glaube an die unserem Wirtschaftssystem zugrundeliegenden Vorstellungen (unbegrenztes Wirtschaftswachstum, ohne Wettbewerb keine Weiterentwicklung etc.) und ein rücksichtsloses Umsetzen der eigenen Interessen auf Kosten anderer oder der Natur, erschwert es zu erkennen, dass wir mit genau diesen tiefen Überzeugungen dabei sind unsere Erde zu zerstören. Die Ansammlung von Wissen hat uns bei der Suche nach Lösungen nicht weiter gebracht (vgl. Kapitel 3.4). Und so muss die Frage gestellt werden, ob diese Lebensweise ein erstrebenswertes Ziel ist. Auch Wulf spricht von einer Transformation des Kapitalismus und einer neuen Art des Zusammenlebens von Mensch und Natur. Er geht noch weiter, indem er unterstreicht, dass eine nachhaltige Entwicklung (und somit auch die Umsetzung von Ziel 4) nur durch die genannten Veränderungsprozesse realisiert werden kann (vgl. Kapitel 3.1). Betrachten wir nun weiter die genannten Kulturen dieser Welt, welche Konzepte verfolgen, die Nachhaltigkeit mit der eigenen Tradition verschmelzen zu lassen und im Einklang mit Mutter Natur zu leben (vgl. Kapitel 3.1), so muss die Frage, welches Land (diesbezüglich) „Entwicklungsbedarf“ hat, neu diskutiert werden.

Die vorliegende Arbeit fördert sehr viele unbeantwortete Fragen zu Tage, die in Kapitel 7 dargelegt werden und welche unbedingt Beachtung finden sollten bei der weiteren Erforschung und Umsetzung von Ziel 4 der Agenda 2030. Dabei sind die wichtigsten Themen: Bildungs- und Militärausgaben im Vergleich, Bildungszertifikate und deren Expansion, Prioritäten und Anreize für Regierungen, globale Gerechtigkeit, Transformation der Gesellschaft, „erstrebenswerte“ Bildungssysteme, politischer Wille, Indikatoren, solidarische Lebensweise, Qualität und Quantität etc. Es wird deutlich, dass bezüglich der globalen Ungerechtigkeit und bezüglich der Umsetzung von Ziel 4 weiterhin sehr viel Handlungs-, Klärungs- und Forschungsbedarf besteht. So kann die vorliegende Arbeit nur einen kleinen Einblick in die Thematik liefern, welcher für zukünftige Forschungen unbedingt noch weiter ausdifferenziert werden muss. Im Fazit wird die Vorgehensweise reflektiert, eine Überlegung zur Agenda 2030 und zur Utopie erfolgt und es wird die aktuelle Situation von „fridays for future“ dargestellt, eine Bewegung, die paradoxerweise beim Schreiben der vorliegenden Arbeit entstanden ist. Die Bachelorarbeit endet mit einem Zitat von Greta Thunberg, welches die Macht des politischen Willens unterstreicht.