Wirkung der Fairtrade-Zertifizierung von Hochschulen. Empirische Studie zu den Fairtrade-Universities Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes und Universität des Saarlandes

Autor: Rütschlin, Fabienne
Jahr: 2019

Masterarbeit, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, 116 Seiten, dt.

Zusammenfassung:

Der Faire Handel ist in den letzten Jahrzehnten zu einer weit verbreiteten Thematik in der deutschen Gesellschaft geworden. Dazu beigetragen haben unter anderem Werbekampagnen, wie z. B. die Ernennung von Fairtrade-Universities zu offiziellen Botschaftern für den Fairen Handel, aber auch die zunehmenden Debatten über eine nachhaltigere Entwicklung der Gesellschaft. Das freiwillige Engagement der Hochschule für den Fairen Handel soll nicht nur die Idee und das Konzept der alternativen Wirtschaftsform bekannter machen, sondern auch den Konsum fair gehandelter Produkte fördern. Da es kaum Studien zu Wirkungen der Öffentlichkeitsarbeit des Fairen Handels im globalen Norden gibt, konnten bisher auch keine Aussagen über die Wirkung von Fairtrade-University-Kampagnen getroffen werden. Deshalb wird in dieser Arbeit untersucht, wie ausgeprägt das Bewusstsein für den Fairen Handel an zwei deutschen Hochschulen ist.
Untersuchungsgegenstand ist zudem, welche Fairtrade-Maßnahmen an den Fairtrade-Universities wahrgenommen werden, wie sich dies auf das faire Konsumbewusstsein und -verhalten sowie auf die Wahrnehmung einer nachhaltigen Hochschulkultur auswirkt. Es wird von folgendem Wirkungszusammenhang ausgegangen:

Hochschulen stellen bei der Erreichung der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen wichtige gesellschaftliche Akteure dar, um die Bewusstseinsbildung für eine nach-haltige Entwicklung voranzutreiben. Fairtrade-Universities kommen diesem Ziel nach, indem sie den Fair-Handel-Gedanken fördern. Auf Basis von Sozialisationsprozessen, die durch die Anpassung von Kulturträgern und Organisationskulturen erklärt wird, können Hochschulen einen bedeutenden Faktor in der Erreichung eines Wandels hin zu nachhaltigen Konsum-gewohnheiten darstellen. Klassische Verhaltenstheorien reichen jedoch nicht aus, um die komplexen ethischen bzw. fairen Konsumentscheidungsprozesse zu erklären. Die vorhersage-kräftigsten Faktoren stellen dabei die ethische Verpflichtung und das Selbstverständnis dar. Um faires Konsumbewusstsein messen zu können, haben Balderjahn und Peyer (2012) die Consciousness for Fair Consumption Skala (Skala für faires Konsumbewusstsein) erstellt. Auf die theoretischen Konstrukte aufbauend wurde ein standardisierter Online-Fragebogen entwickelt. Es wurden die Studierenden sowie wissenschaftlich und nicht-wissenschaftlich Beschäftigten der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htw saar) (N = 544) sowie der Universität des Saarlandes (UdS) (N = 31) befragt.

Die quantitative Studie zeigt, dass die Fairtrade-University bei über der Hälfte der Studierenden und Beschäftigten an beiden Hochschulen bekannt ist, wobei einige das Label Fairtrade erst an ihrer Hochschule kennengelernt haben. Auch haben an beiden Hochschulen über der Hälfte der Studierenden und Beschäftigten Fairtrade-Maßnahmen wahrgenommen, vor allem über Plakate. Die aktive Nutzung dieser Maßnahmen fällt jedoch deutlich geringer aus als die Wahrnehmung. Die Wahrnehmung und Nutzung zeigen in Bezug auf verschiedene demographische Daten nur bei der htw saar Zusammenhänge auf, wobei kein eindeutiges Muster zu erkennen ist. Die Zertifizierung zur Fairtrade-University wird an beiden Hochschulen fast durchweg positiv aufgenommen, selbst bei denjenigen die keine fair gehandelten Produkte konsumieren. Eine Steigerung des Bewusstseins für den Fairen Handel durch Fairtrade-Bildungsmaßnahmen an den Hochschulen ist jedoch kaum zu verzeichnen. Es gibt keine signifikanten Unterschiede in der Höhe des Bewusstseins für Fairen Handel, in Abhängigkeit einer aktiven Nutzung von Fairtrade-Maßnahmen. Trotzdem ist an beiden Hochschulen ein sehr hohes Bewusstsein für Fairen Handel zu verzeichnen, genauso wie ein sehr hohes faires Konsumbewusstsein und -verhalten. Signifikant beeinflusst wird die Höhe des fairen Konsumbewusstseins und -verhalten von der Höhe des Bewusstseins für Fairen Handel. Eine Umsetzung des fairen Konsumbewusstseins in tatsächliche Kaufhandlungen ist jedoch kaum gegeben. An beiden Hochschulen werden Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit von über der Hälfte der Studierenden und Beschäftigten mit dem Engagement der Fairtrade-University in Verbindung gebracht. Hierbei wurde an der htw saar festgestellt, dass ein hohes Bewusstsein für den Fairen Handel mit der Wahrnehmung einer eher nachhaltigen Hochschulkultur einhergeht, auch wenn der Effekt nur sehr gering ist.

Fairtrade und Fairer Handel kommen sehr positiv bei den Studierenden und Beschäftigten an, wobei diese auch ein hohes Bewusstsein für die Thematik besitzen. Die Umsetzung in ein faires Konsumverhalten fehlt jedoch. Für die Fairtrade-Universities wird empfohlen, die Thematik des Fairen Handels in die Lehrveranstaltungen miteinzubeziehen, um den Fair-Handel- Gedanken wirksamer, aber auch wissenschaftlich-kritisch an alle Studierende herantragen zu können. Gegebenenfalls sollten hierfür Workshops und Weiterbildungen für die Beschäftigten der Hochschulen veranstaltet werden, um die Thematik adäquat vor- und aufzubereiten. Um jedoch umfassendere und allgemeinere Aussagen machen zu können, ist ein Vergleich mit einer nicht-zertifizierten Hochschule notwendig, da es sich in diesem Fall um zwei zertifizierte Hochschulen gehandelt hat.