[Wiesbaden, 11.09.2023] „Der 11. September sollte uns Mahnung sein, dass Putschisten und Terroristen nie siegen dürfen“, so Dr. Kambiz Ghawami, Vorsitzender des World University Service, zum Gedenken an die über 3000 ermordeten Menschen infolge des Putsches in Chile und die 2996 getöteten Menschen der Terroranschläge in den Vereinigten Staaten von Amerika.
„Es ist ein starkes Zeichen der deutschen Solidarität, angesichts der historischen Diktatur-Erfahrungen in Deutschland und Chile, dass Bundesratspräsident Peter Tschentscher heute an der internationalen Gedenkveranstaltung anlässlich des 50. Jahrestags des Militärputsches von 1973 teilnimmt, in dessen Verlauf auch die ‚Erklärung von Santiago‘ unterzeichnet wird, die sich für Demokratie und Rechtstaatlichkeit, den Schutz von Menschenrechten und internationale Zusammenarbeit ausspricht“, so Dr. Ghawami.
Der Putsch in Chile am 11. September 1973 mit seinen über 3000 ermordeten Menschen und bis heute anerkannten 27.255 politischen Gefangenen war nicht nur der Beginn einer radikalen Umgestaltung eines demokratischen Staates, sondern wirkt bis heute.
Mit Hilfe zweier Würzburger Professoren, Lothar Bossle und Dieter Blumenwitz, aus dem Umfeld von Franz-Josef Strauß wurde das neoliberale Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell der chilenischen Chicago Boys um Milton Friedman in die unter Missachtung demokratischer Grundsätze verabschiedete Verfassung der Diktatur von 1980 festgeschrieben.
Diese grundlegenden Änderungen und die Ideologie der „Privatisierung“ öffentlicher Dienste und Güter, wie z. B. Bildung, Gesundheit, Infrastruktur und Sicherheit reichen nicht nur bis in das heutige demokratische Chile, sondern auch in viele andere Staaten und Regionen bis hin nach Deutschland, wo es nicht wenige Anhänger eines entfesselten Neoliberalismus gibt.
Bis heute ist z. B. das einst sehr gute chilenische Bildungssystem implodiert – mit der Folge, dass mit 60 % funktionellen Analphabeten (in Deutschland ca. 7 %) Chile im internationalen Vergleich nur noch Mittelmaß ist.
„Für uns als WUS war und ist wichtig, dass wir uns mit unserer Bildungsarbeit für grundlegende Menschenrechte einsetzen und daher war es für uns eine Selbstverständlichkeit, nach dem Putsch in Chile tausenden chilenischen Studierenden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu helfen, um in ein sicheres Exil zu gelangen und dort ihre Studien und wissenschaftlichen Arbeiten fortsetzen zu können. Als es ab 1978 für einige Exilanten wieder möglich war, nach Chile zurückzukehren, hat WUS über 6000 chilenische Exilanten bei der Rückkehr unterstützt und diese Unterstützung bis zum Jahr 2010 fortgesetzt. Viele dieser Rückkehrerinnen und Rückkehrer haben vor 35 Jahren einen wichtigen und nachträglichen Beitrag zur erfolgreichen ‚NO‘ Kampagne zur Abwahl der Pinochet-Diktatur geleistet“, so Dr. Ghawami.
Neben diesen personenbezogenen Förderungen hat sich WUS der gesellschaftspolitischen Veränderungen im Zuge der Redemokratisierung in Chile angenommen. 1998 hat WUS mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) eine Internationale Scheidungskonferenz in Santiago de Chile zur Einführung eines Scheidungsrechts in Chile fördern können.
Ebenso konnte WUS das Projekt AMBASSADORS of MEMORY PROGRAM des Museums der Erinnerung und der Menschenrechte im Jahr 2017 mit Unterstützung des Landes Hessen fördern, ein Projekt, das sich am Projekt „STOLPERSTEINE“ in Deutschland orientiert, um der von der Diktatur deportierten und ermordeten Menschen zu gedenken. Der damalige Direktor des Museums, Francisco Estévez, war einer von tausend WUS-Stipendiaten während der Diktatur, da er sich als Student gegen die Militärjunta von Pinochet stellte.
Auch wurde das Projekt der „Corporación Parque por la Paz Villa Grimaldi“ zur Erinnerungsarbeit mit dem Ziel gefördert, Schülerinnen und Schülern Zugang zur Geschichte der Gedenkstätte „Parque por la Paz Villa Grimaldi“ zu ermöglichen. Die Schülerinnen und Schüler wurden hierbei als Erinnerungs-Botschafter und als Aktive beim Aufbau eines kollektiven Gedächtnisses zum Gedenken an die 4500 gefolterten und 241 getöteten Menschen in der Villa Grimaldi qualifiziert.
„Erinnerungsarbeit ist eine wichtige Säule der Verteidigung demokratischer Errungenschaften und ist gerade für die jüngere Generation wichtig, damit sie aus den Fehlern der Vergangenheit lernt und einen Kontrapunkt zur Kultur des Schweigens setzt“, so Dr. Ghawami abschließend.