Wiesbaden, 23. November 2019. Migration und Flucht wird aktuell auf allen Ebenen diskutiert. Doch was passiert, wenn Studierende aus Asien, Lateinamerika und Afrika miteinander über Migration, Flucht, Integration und Studium debattieren? Anlass der Debatte war das Seminar „Verantwortungsvolle Migrationspolitik – gibt es sowas?“, organisiert von STUBE Hessen und dem EuropeAid-Projekt InterCap vom 22. bis 24. November 2019 in Wiesbaden. STUBE Hessen ist ein Projekt des World University Service (WUS) und wird vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert.
Den Höhepunkt des Seminars bildete eine Podiumsdiskussion zum Thema „Herkunft, Ankunft, Zukunft – wer trägt die Verantwortung für Migration?“. Für drei Stunden verwandelte sich der Seminarraum in der Jugendherberge Wiesbaden zu einem Podium für einen dynamischen Austausch. Die Moderatorin Felicitas Nilles führte die Seminarteilnehmenden durch die Fragen nach Migration im Alltag, Integration und dem Berufseinstieg.
„Wurdet ihr schon einmal gefragt, wo ihr ursprünglich herkommt?“, fragt sie alle Anwesenden. Die Antwort, einstimmig: „Ja“. Aber welche Emotionen löst diese Frage aus? Podiumsgast Mohammad Alissa, Doktorand der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) und Gründer des Vereins Malik – Bildung ist Zukunft e.V. findet, die Frage sei normal. Er selbst frage seine Studierenden nach ihrer Herkunft, weil ihn das interessiert. Kritisch wird es, wenn die Frage negative Hintergründe hat. Genauso verhält es sich mit der Nachfrage, wann er denn wieder zurück nach Syrien gehe?
Aicha de Bah-Diallo, Frauenrechtlerin und Projektkoordinatorin bei jumpp - Frauenbetriebe e.V. in Frankfurt, sieht es etwas anders: „Ich mag diese Frage nicht. Man wird auf seine Herkunft reduziert. Wenn ich sage, ich komme aus Guinea, hören die Leute erstmal Kenia. Was sagt die Tatsache über mich aus, dass ich aus Guinea komme? Nichts eigentlich, oder?“. Der Diskurs in den deutschen Medien über Afrika sei überwiegend negativ. „Ich sehe fremd aus. Wenn ich gefragt werde, woher ich komme, heißt das, dass ich irgendwie nicht dazu gehöre. Nur wenn ich fühle, dass ich dazu gehöre, dann öffne ich mich.“
Überschreitet die Frage nach der Herkunft Grenzen? Die Meinungen dazu sind vielfältig. Deshalb gab es einen freien Podiumsplatz, den die Seminarteilnehmenden einnehmen konnten, um dem Podium beizutreten. So berichtete eine Studentin aus Mexiko, dass sie Integration als Prozess verstehe. Es dauere einige Jahre, um das Zielland als Heimat bezeichnen zu können. Mit Migration verbindet die Soziologie-Studentin Wed Al Dobhani „bunt zu sein, anders zu sein, aber nicht unbedingt negativ. Es bedeutet, dass ich etwas bekomme, wie z.B. neue Sitten und Informationen, aber auch etwas von meinem Hintergrund gebe.“ Für Mohammad Alissa bedeutet Migration Sicherheit, aber auch Heimweh und viel Leiden. Dennoch müsse man fleißig sein und dieses negative Gefühl als Investition sehen, um seine Ziele zu erreichen, so der Doktorand.
Für Studierende mit Migrationshintergrund stellen sich zudem Herausforderungen: der Einstieg in das Studium und später in den Job sind oft nicht einfach. Der Podiumsgast Sebastian Koch, Doktorand am Lehrstuhl für Personalwirtschaft der Goethe-Universität Frankfurt hat sich den Fragen zum Berufseinstieg angenommen: Gibt es Vorurteile seitens des Arbeitgebers? Welche Voraussetzungen bringen deutsche und ausländische Studierende beim Berufseinstieg mit? Er betonte, dass berufsvorbereitende Aktivitäten von Studierenden wie Praktika und ehrenamtliches Engagement wichtig sind, um sich bereits im Studium ein Netzwerk aufzubauen und positive Signale an potentielle Arbeitgeber zu senden. Oft werde der Stellenwert solcher Aktivitäten von ausländischen Studierenden unterschätzt. Es dauerte nicht lange, bis sich eine lebendige Diskussion entfaltete und die Studierenden von ihren Erfahrungen und Herausforderungen zu Beginn des Studiums berichteten. Es gibt noch viel Gesprächsbedarf untereinander und mit der Öffentlichkeit. Jede Geschichte ist einzigartig und so sind auch die Antworten. Ein Student resümiert: „In erster Linie sind wir alle erstmal Menschen!“