Bachelorarbeit, Fachbereich Politikmanagement, 66 Seiten, dt.
Zusammenfassung:
Städte, Gemeinden und Landkreise (Kommunen) treten zunehmend als Akteur*innen der Entwicklungspolitik auf. Die Arbeit sieht sich vor allem dadurch motiviert, das diskursive Novum der „globalen Entwicklung in der eigenen Kommune“ und die Bedeutung dessen für die Entstehung des lokalen Politikfeldes zu erklären. Denn zum allerersten Mal sind mit den 2015 verabschiedeten Sustainable Development Goals (SDGs) im Rahmen der Entwicklungsdekaden der UN Regionen und Städte im Globalen Norden aufgefordert, sich zu „entwickeln“. Somit gelten offiziell Kommunen im Globalen Norden als „unterentwickelt“. Diese Transformation zu einem Globalisierungsdiskurs und der Entwicklung „Aller“ ist bemerkenswert, da sie den bipolaren, sozial-konstruierten Entwicklungsdiskurs vom „Entwickelten Norden“ und „Unterentwickelten Süden“ komplett in Frage stellt. Daher beschäftigt sich der erste theoretische Teil der Arbeit mit der Frage, unter welchen strukturell-gesellschaftlichen Bedingungen sich die zivilgesellschaftliche Eine-Welt-Arbeit und die staatliche Kommunale Entwicklungspolitik in Deutschland als politische Felder institutionalisieren konnten.
Die Arbeit setzt demnach an der Schnittstelle von der Institutionalisierung von diskursiven Prozessen an und setzt diese in Beziehung zur Bewegungsforschung und deren Institutionalisierung im politischen Mehrebenensystem. Denn die Krisen von modernisierungstheoretischen Entwicklungsdiskursen sind mitverantwortlich für die Entstehung von entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen (NROs), welche das politische Feld der lokalen Entwicklungspolitik von den 1970er bis in die 2000er Jahre organisieren und innerhalb der Mehrebenen entscheidend zum Aufbau eines staatlichen Feldes der kommunalen Entwicklungspolitik beitragen. Die Entstehung des Politikfeldes wird in der Arbeit besonders hervorgehoben, um jüngere und gegenwärtige Verschiebungen im Feld nachvollziehen zu können. Denn mit der subsidiären Erweiterung der staatlichen entwicklungspolitischen Handlungsmacht um die lokale Ebene um die vom BMZ geführte Servicestelle für Kommunen in der Einen Welt (SKEW) sowie der Engagement Global gGmbH, welche mittlerweile als handlungsmächtigste politische Akteur*innen im Feld auftreten wird eine strukturelle Verschiebung innerhalb des Politikfeldes von zivilgesellschaftlicher zu staatlicher Handlungsmacht herausgearbeitet, welche die Frage nach einem neuen Spannungsverhältnis zwischen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteursgruppen aufwirft.
Im weiteren empirischen Teil wird sodann der Frage nachgegangen, inwiefern unter der Ausweitung des lokalen Staates und einer Verschiebung der Machtverteilung zugunsten der Bundesebene eine gleichberechtigte Partnerschaft von kommunaler Verwaltung und Zivilgesellschaft auf lokaler Ebene im Stadtstaat Bremen gelingen kann. Anhand des Fallbeispiels in Bremen werden Faktoren wie eine wirkungsmächtige Zivilgesellschaft, eine offene Behörde, günstige städtische Rahmenbedingungen sowie geteilte Normen und Werte für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen NROs und kommunaler Behörde herausgearbeitet. Gleichzeitig erhöht sich die bundesstaatliche Regulierung im lokalen Feld, welche einerseits eine Professionalisierung im zivilgesellschaftlichen Bereich, andererseits Abhängigkeiten von NROs und Behörde zur Bundesebene bedingt. Denn kommunale Entwicklungspolitik ist ein freiwilliges politisches Feld und im Vergleich zu anderen kommunalen Politikfeldern weniger institutionalisiert. So wird die These vertreten, dass sich die Akteur*innen in Bremen unter der subsidiären Ausweitung der staatlichen Bundesebene in einem dynamischen Politikfeld zwischen zunehmender Professionalisierung und der Fragilität des eigenen Feldes bewegen. Indem die Fragilität des Feldes die Handlungsautonomie der lokalen Akteur*innen einschränkt, dient diese dem Bundesstaat als Legitimation für die weitere Ausweitung der eigenen Handlungsmacht. Während das BMZ daher im Sinne der Stabilisierung des Feldes aufgefordert ist, auf eine weitere Machtausweitung zu verzichten, sehen sich die lokalen Akteur*innen mit der Frage der Erweiterung von lokalen Handlungsmöglichkeiten sowohl in Bremen als auch innerhalb der Mehrebenen konfrontiert, um das eigene Feld von innen heraus weiter zu stabilisieren.
Denn Kommune und Zivilgesellschaft können nur in der gegenseitigen Abhängigkeit zueinander, die weitere Institutionalisierung der Entwicklungszusammenarbeit auf lokaler Ebene sichern. So werden anhand des Fallbeispiels in Bremen die Wirkungsmächtigkeit der lokalen bzw. kommunalen Ebene im Mehrebensystem herausgearbeitet. Zum einen können Governance Akteur*innen aus kommunaler Politik und Zivilgesellschaft noch selbstbewusster auftreten. Dabei kann das lokale Governance Feld in Bremen anderen Ebenen im Sinne einer gleichberechtigten Partnerschaft als Vorbild dienen. Zum anderen bedarf es der strukturell weiteren Stärkung des Feldes, und zwar nicht durch eine simultane Ausweitung der SKEW, sondern durch eine gezielte Förderung, v.a. der zivilgesellschaftlichen Nichtregierungsorganisationen. Da das Feld der kommunalen Entwicklungspolitik immer noch ein freiwilliges ist, wird daher vorgeschlagen, das Politikfeld zu einem verpflichtenden zu verändern, sowie eine europäische einheitliche Finanzierung zu ermöglichen.