Mehrgenerationen-Buch Nachhaltigkeit. Ein Beitrag zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in der Familienbildung der Sozialen Arbeit

Autor: Urban, Esther Mirjam Carmen
Jahr: 2020

Bachelorarbeit, Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften, 94 Seiten, dt.

Zusammenfassung:

Die Soziale Transformation hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft ist ein besonders wichtiges, zukunftsweisendes Thema. Die Agenda 2030 (aus dem Jahr 2015) legte mit den Social Development Goals (Abk. SDG’s) 17 Nachhaltigkeitsziele fest, wobei als viertes Ziel Hochwertige Bildung angeführt wurde. Bildung wurde darüber hinaus als Schlüsselfaktor nachhaltiger Entwicklung charakterisiert, welcher auch zu dem Erreichen der anderen SDG’s beitragen könnte. Infolgedessen wurden das pädagogische Bildungs- und Handlungskonzept Bildung für Nachhaltige Entwicklung (Abk. BNE) entwickelt, sowie damit verbunden verschiedene globale Aktionsprogramme erlassen. Das Konzept entstand aus einer Synthese anderer pädagogischer Konzepte, z.B. aus den Bereichen des Globalen Lernens, der Umweltbildung, der entwicklungspolitischen Bildung usw. BNE ist folglich als ganzheitlich angelegtes Konzept nicht nur Aufgabe einer Disziplin oder Institution, sondern kann, bzw. muss interdisziplinär gedacht und angegangen werden.

Die vorliegende Arbeit versucht herauszuarbeiten, wie Soziale Arbeit sich daran beteiligen kann, BNE bzw. „das Thema Nachhaltigkeit in seinen Facetten in die Gesellschaft hinein zu tragen und für das Thema zu sensibilisieren“ (S. 8). Hierbei wird die besondere Bedeutung von Bildung bzw. BNE im Rahmen des Nachhaltigkeitsdiskurses und die damit verbundene inter- und intragenerationelle Orientierung aufgegriffen, und mit sozialer Arbeit in Verbindung gebracht. Das spezifizierte, erkenntnisleitende Interesse ist: „Wie kann Soziale Arbeit einen Beitrag zur Entwicklung und Verankerung der generationsübergreifenden Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Praxis leisten?“ (S.8). Neben der ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimension von Nachhaltigkeit wird inzwischen auch die Bedeutung einer kulturellen Dimension diskutiert. Die Arbeit ist dem Qualifizierungsbereich „Bildung, Kultur, Medien“ des Studienganges Soziale Arbeit zuzuordnen, der den Bereich kulturelle Bildung in der Sozialen Arbeit betont und die Möglichkeit eröffnet, ästhetische Medien für die Soziale Arbeit nutz[1]bar zu machen. Die Arbeit ist als Projektarbeit angelegt und dementsprechend in einen theoretischen und einen praktischen Teil untergliedert. Der theoretische Teil umfasst den wissenschaftlich fundierten und reflektierten Konzeptentwurf für eine Mehrgenerationen-Buchreihe zum Thema Nachhaltigkeit(Abk. MGBN). Im praktischen Teil wird ein erster Entwurf eines Bandes der Buchreihe zum Thema Umweltmigration vorgelegt. Dieser spiegelt den Entwicklungsstand des Buchprojektes bei der Abgabe der Arbeit wieder. Er ist somit an manchen Stellen bereits konkret ausgestaltet, an anderen als Ideen[1]Sammlung angelegt, was dem praktischen Teil insgesamt den Charakter eines Skizzenbuches verleiht. Das Thema Umweltmigration wird bereits im theoretischen Teil als Vorarbeit wissenschaftlich fundiert. Das Buch als ästhetisches Medium wurde gewählt, da es derzeit als ein Medium bezeichnet werden kann, zu dem alle Generationen einen Zugang haben könnten, und durch welches Generationen miteinander in Kontakt und Austausch gebracht werden könnten, was für das erkenntnisleitende Interesse von großer Bedeutung ist.

Zunächst werden im theoretischen Teil für die Arbeit zentrale Begriffe, Themenfelder und Konzepte wie Bildung, Familienbildung, Lebenslanges Lernen, Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeitsprinzipien, BNE, Globales Lernen und Gestaltungskompetenzen erläutert. Bildung wird als offener, persönlichkeitsbildender Prozess definiert, der vom Subjekt im Austausch mit den äußeren Weltbezügen gestaltet wird. Die Konzeption wird „vorerst im Handlungsfeld der Familienbildung der Sozialen Arbeit, als einem Ort informellen und intergenerationellen Lernens“ verortet (S. 8-9). Der gesamten Arbeit liegt die Annahme zugrunde, dass Menschen lebenslang lernfähig sind. (Lern-) Prozesse nachhaltiger Entwicklung werden als möglich beschrieben, wobei deutlich wird, dass eine Veränderung Zeit braucht und die Auseinandersetzung mit Veränderungen positiv und motivierend gestaltet sein sollte. Das interdisziplinär angelegte Konzept der BNE schließt, wie das der vorliegenden Arbeit, jede Altersgruppe mit ein. Es soll die Menschen dazu befähigen, ihr eigenes Verhalten und ihre Lebensweise und deren Auswirkungen, in einen größeren, globalen Kontext setzen zu können. Hierbei wird auf die dem Globalen Lernen entlehnten Gestaltungskompetenzen nach Gerhard de Haan zurückgegriffen. Deren Erwerb soll zur Herausbilddung von Handlungsfähigkeit und Handlungsmotivation im Kontext nachhaltiger Entwicklung verhelfen. Später in der Arbeit wird auf die Gestaltungskompetenzen zurückgegriffen um eigene Kompetenz[1]und Wirkungsziele für das MGBN und dessen praktische Umsetzung zu entwickeln. Zudem wurden konkret für die praktische Umsetzung in Anlehnung an Hiltrud von Spiegel Wirkungs- und Handlungsziele entwickelt und durch Handlungsschritte ergänzt. So konnte die praktische Umsetzung stets auf ihre Zielsetzungen hin rückbezogen werden.

In die Zielsetzung und praktische Umsetzung flossen zudem zahlreiche Erkenntnisse aus der theoretischen Fundierung der Arbeit mit der Theorie der Sozialen Arbeit als Lebensbewältigung nach Lothar Böhnisch, sowie deren Verknüpfung zum Nachhaltigkeitsdiskurs mit ein. Soziale Arbeit als Lebensbewältigung stellt das Subjekt in seiner Hilflosigkeit in den Mittelpunkt des Interesses. Wenn Menschen ihre inneren Befindlichkeiten nicht mehr thematisieren können, kann die damit verbundene Hilflosigkeit zu Handlungsunfähigkeit und abweichenden z.B. selbstdestruktiven oder antisozialen Verhaltensweisen führen. Zentrale Erkenntnisse hierbei sind z.B.: Bildung und Bewältigung, bzw. BNE und Soziale Arbeit, sind verschränkt. Nachhaltige Bildungsprozesse können erst dann nachhaltig wirksam werden, wenn sie nicht durch Bewältigungsprozesse eingeschränkt werden. Sie müssen auf Empathie und Respekt aufbauen und sind darin auf soziale Gegenseitigkeit angewiesen. (Innere) Konflikte und die Konflikthaftigkeit nachhaltiger Themen müssen thematisiert werden können. Hierfür bedarf es Raum Konflikte austragen zu können, einer Kultur der Anerkennung von Hilflosigkeit und die Erkenntnis und Fähigkeit den Ursprung der Hilflosigkeit als gesellschaftlich, und nicht als individuell zu identifizieren. Menschen sind dann handlungsfähig, wenn sie ihre inneren Empfindungen und Probleme nicht nur thematisieren können, sondern sie zudem in sozialen Kontexten Anerkennung erhalten und Selbstwirksamkeitserfahrungen machen können. Die praktische Umsetzung wurde dementsprechend so entworfen, dass die ästhetische und inhaltliche Gestaltung der Buchreihe Thematisierungen von inneren Befindlichkeiten anregt, bzw. z.B. über Sympathiefiguren beiläufig Beispiele von gelungener Thematisierung gezeigt werden. Die Auseinandersetzung mit Konflikten wird als etwas Positives besetzt und als mach[1]bar vermittelt. Im durch das Buch angeregten, intergenerationalen Austausch und durch Verweise auf Handlungsmöglichkeiten im Sozialraum, soll Raum für Anerkennungs- und Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglicht werden.

Als besonders bedeutsam für gelingende (nachhaltige) Lernprozesse, wurde die Schaffung von emotionalen Bezugspunkten zu den zu vermittelnden Themen der Nachhaltigkeit herausgearbeitet. Dies wird in der Konzeption über den besonderen Zugang durch künstlerisch-ästhetische Methoden und Haltungen der kulturellen Bildung, sowie Methoden der philosophischen Bildung im Kontext von BNE und eine sehr persönliche Aufbereitung der Inhalte ermöglicht. Die Konzeption ist somit äußerst divers gestaltet. Sie enthält Prosa, Poesie, (persönliche) Erzählungen, Interviews, Rätsel, eine Graphic Novel, Bilder, eine Bilderbuchgeschichte, Fotografien etc. Insgesamt hat sie (in Anlehnung an Beuys) bewusst einen sehr experimentellen Charakter, da sie das Ziel verfolgt, die Lesenden zu berühren, sie anzuregen sich selbst mit den Themen auseinanderzusetzen, sich eigene Gedanken zu machen und die Dinge, auch die Inhalte im Buch, zu hinterfragen. Die Konzeption sieht entsprechend der Zielgruppenorientierung altersgerecht aufbereitete Inhalte vor, deren Zuordnung jedoch im Sinne der Partizipation den Lesenden selbst überlassen wird. Das Potenzial künstlerisch-ästhetischer Zugänge zu Bildungsprozessen im Bereich BNE und Soziale Arbeit wird abschließend in Anlehnung als Günther Klarner als besonders hoch eingeordnet. So lassen sich Visionen entwickeln und emotionale Zugänge schaffen. Auch der überwiegend positive Zugang zu den Inhalten wird als bedeutsam für den gelingenden Lernprozess eingeordnet. Die Auseinandersetzung mit dem Nachhaltigkeitsdiskurs wird als für die zukünftige Entwicklung der Disziplin der Sozialen Arbeit wichtig eingeordnet, wobei die Soziale Arbeit sich wiederum daran beteiligen kann Prozesse nachhaltiger Entwicklung voranzutreiben.