Bachelorarbeit, Fachbereich Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie, 57 Seiten, dt.
Zusammenfassung:
In einer Zeit, in der immer noch viele deutsche Missionsgesellschaften im togoischen Bildungswesen aktiv sind, muss dringend eine Aufarbeitung missionarischer Schularbeit stattfinden. Eine besondere Rolle in diesem Zusammenhang spielen deutsche Kirchenträger, die während der Kolonialzeit viele Schulen in Togo aufgebaut haben und dadurch bildungspolitische Absichten verfolgt, pädagogische Institutionen geschaffen und Bildungsprozesse initiiert oder verhindert haben. Dabei darf nicht vergessen werden, dass viele der aktuellen Herausforderungen im Bildungsbereich in Togo, die unter dem Aspekt nationalen Versagens diskutiert werden, erst durch Missionsgesellschaften und Kolonialregime im Land aufkamen.
Die Bremer Mission ist über die verschiedenen Zustände der togoischen Staatlichkeit hinweg in unterschiedlicher Intensität bis heute in Togo präsent und bietet aus dieser Ausgangslage heraus viele Anknüpfungspunkte für eine kritische Untersuchung. Zu hinterfragen ist vor allem die Tatsache, dass die Mission 1961, auf Bitten der Evangelischen Kirche des Staates Togo, wieder einen Mitarbeiter nach Togo entsandte und damit postkoloniale Strukturen bis heute aufrechterhält.
Die Suche nach verwertbarem Untersuchungsmaterial gestaltete sich bei den Vorbereitungen als durchaus kompliziert. Einige Felder der Bremer Missionsgeschichte wurden bereits in einschlägigen Publikationen und umfangreichen Abhandlungen erörtert. Nach einer ausführlichen Literaturrecherche und eingehender Quellensichtung fiel die Wahl auf einen Aspekt, der bis dato, wenn überhaupt nur am Rande einiger Arbeiten besprochen wurde. Gemeint ist das Phänomen, dass viele Togoer und Togoerinnen nicht nur als Schüler und Schülerinnen mit den deutschen Missionsschulen in ihrem Land in Kontakt kamen, sondern auch häufig selbst als Lehrkräfte an den Schulen unterrichtet haben. Die zentrale Fragestellung lautet: Inwiefern wurden Vorgaben, Ermahnungen und Strafen gegenüber den togoischen Lehrkräften bezüglich ihres Berufes und Privatlebens verschärft? Dafür wurden schwerpunktmäßig eine Arbeitsinstruktion und eine Ordnung für einheimische Lehrkräfte aus dem Jahr 1867 und eine Disziplinarordnung von 1913 herangezogen, die auch mit Blick auf den Umfang der Untersuchung ausgewählt wurden.
Da die Arbeit aus Sicht der postkolonialen Theorie geschrieben ist, steht zu Beginn der Untersuchungsarbeit eine sprachwissenschaftliche Einordnung vielgenutzter Begriffe wie Kolonialismus, Kolonialpädagogik und Kolonialschule und nicht verwendeter kolonial-rassistischer Begriffe wie „Eingeborener“ und „Schutzgebiet“. Anschließend wird der aktuelle Forschungsstand anhand der Archivlage in Deutschland und Togo sowie der Verfügbarkeit von Archivalien genauer skizziert. Danach werden die vier verwendeten Quellen – die Arbeitsinstruktion (1867), Ordnung (1867), die Veröffentlichungen des Hamburger Kolonialinstituts (1911) sowie die Disziplinarordnung (1913) – vorgestellt. Nach einer einführenden Erläuterung zum historischen Missionsschulwesen der Bremer Mission wird im Hauptteil der Untersuchung die Arbeit der togoischen Lehrkräfte anhand der vorgestellten Quellen erläutert. In diesem Kontext werden sowohl die Vorgaben für den Beruf als auch für das Privatleben der togoischen Lehrkräfte untersucht. Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und ein Ausblick auf eine mögliche Fortsetzung der Arbeit schließt die Untersuchung ab.
Die Ergebnisse der Untersuchung sind vielseitig. Letztlich haben die untersuchten Vorgaben der Bremer Mission die togoischen Lehrkräfte zu entwurzelten Menschen gemacht. Herrn Akakpo-Numado ist Recht zu geben, wenn er im Kontext der missionarischen Bildungspolitik von inneren Identitätskonflikten spricht. Die strengen Vorgaben bezüglich privater Angelegenheiten waren von Seiten der Mission eindeutig eine Maßnahme, um die togoischen Lehrkräfte ihrer sozialen Strukturen zu berauben. Auch machen die drei Dokumente in eindringlicher Art und Weise deutlich, welche Entfremdungsprozesse den togoischen Lehrkräften und ihren Familien durch diese Vorschriften auferlegt wurden. Es ist von einer sozialen Isolation zu sprechen, die von den deutschen Missionaren und Missionarinnen bewusst und gewollt herbeigeführt wurde.
Auf die Frage, inwiefern Vorgaben, Ermahnungen und Strafen gegenüber den togoischen Lehrkräften bezüglich ihres Berufes und Privatlebens verschärft wurden, ist eine zweigeteilte Antwort zu finden. Zunächst in Bezug auf den Berufsalltag der togoischen Lehrkräfte. In diesem Punkt hat eindeutig eine Fokusverschiebung stattgefunden, weg von der traditionellen Kirchenarbeit und hin zu der regional sehr unterschiedlichen Schularbeit. Dabei wurde durch die Missionierenden ein hohes Maß an Disziplin und Gehorsam von den einheimischen Lehrkräften gefordert. Auch dem Wohnen der einheimischen Lehrkräfte wurde zum Ende der deutschen Kolonialzeit eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zugemessen, die von Seiten der Bremer Mission streng kontrolliert wurde. Zudem wurde die Entlohnung der einheimischen Lehrenden zunehmend instrumentalisiert und als Bestrafungsmittel eingesetzt.
In Bezug auf das Privatleben der einheimischen Lehrkräfte kann ebenfalls attestiert werden, dass Ermahnungen und Strafen verschärft wurden. Die Teilnahme an Festen und Zeremonien wurde zum Ende der deutschen Kolonialzeit hin gänzlich untersagt und auch das private Familienleben der Lehrkräfte unterlag strengen Richtlinien von Seiten der Bremer Mission. Dabei war die Ausführung und konkrete Gestaltung vieler dieser Maßnahmen jedoch zum größten Teil vollkommen willkürlich. In der deutschen Missionspraxis zeigte sich über die Jahre hinweg immer wieder, dass Lehrer strafversetzt, Katechisten entlassen und Seminaristen wegen unsittlichen Verhaltens bestraft wurden. Der Rückbezug zur christlichen Glaubenstradition gewann im Laufe der Missionsgeschichte zunehmend an Bedeutung, was die untersuchten Quellen an einigen Stellen gezeigt haben.