Dahinter aber steckt die Frage nach unserem Selbstverständnis als Volk“ – Die Asyldebatte der BRD und der westdeutsche ‚Identitätsdiskurs‘ untersucht anhand ausgewählter westdeutscher Medienberichte 1985 – 1987

Autor: Bartels, Ann-Kathrin
Jahr: 2015

Masterarbeit, Studienfach Europäische Geschichte, 116 Seiten, dt.

Zusammenfassung:

In ihrer 2015 verfassten Masterarbeit „‘Dahinter aber steckt die Frage nach unserem Selbstverständnis als Volk‘ – Die Asyldebatte der BRD und der westdeutsche ‚Identitätsdiskurs‘ untersucht anhand ausgewählter westdeutscher Medienberichte 1985 – 1987“ beschäftigt sich Ann-Kathrin Bartels mit der Stereotypisierung von Asylbewerbern in der westdeutschen Presse Mitte der 1980er Jahre. Basierend auf der Methodik der historischen Stereotypenforschung und der Diskursanalyse entwickelt sie das Argument, dass sich aus der Asyldebatte Aussagen über die Identitätsfrage der Bundesrepublik Deutschland treffen lassen können. Die Arbeit beginnt mit einer kurzen Einführung in die Aktualität des Themas in der kontemporären Presselandschaft und öffentlichen Debatte der BRD, sowie einer knappen Zusammenfassung der historischen Gegebenheiten in den 80er Jahren. Die zeitgliche Präsenz der Asyl- und einer Identitätsdebatte in den westdeutschen Medien zu dieser Zeit lässt die Autorin die Hypothese aufstellen, dass die ‚Überfremdungsangst‘ der Deutschen und die Frage nach der ‚nationalen Identität‘ miteinander verbunden seien. Ausgehend von Siegfried Jägers Konzept von Diskursen als miteinander verknüpfbaren „Flüssen von Wissen durch die Zeit“, wird die Asyldebatte als Auseinandersetzung mit dem Verständnis von der eigenen nationalen Gesellschaft und im Umkehrschluss die Identitätsdebatte als Gespräch über die ‚Anderen‘ in der Mitte des deutschen Volkes gesehen. In einer kritischen
Diskursanalyse untersucht die Autorin Meinungsartikel und Kommentare aus sieben überregionalen, westdeutschen Zeitungen und Zeitschriften auf das Vorkommen von
Aussagen über Asylbewerber. Dabei wird auf die folgende Kriterien geachtet: Ob und inwieweit ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen angesprochen wird; inwieweit der Wunsch nach ethnischer Homogenität eine Rolle spielt; inwieweit auch die deutsche Geschichte ins Gewicht fällt. Alsdann wird mithilfe der von Hahn aufgestellten Theorie der historischen Stereotypenforschung auf die Darstellung von Asylbewerbern in den Artikeln eingegangen. Diese Stereotypen lassen sich in fünf verschiede Gruppen zusammenfassen: Der Asylbewerber als ‚Scheinasylant‘, als Krimineller, als ‚kulturell Fremder‘, als Ursprung sozialer Konflikte und Unruhen, sowie als Ursache für Fremdenfeindlichkeit. Ausgehend von der Theorie, dass Heterostereotypen vielfach einen Spiegel der Autostereotypen darstellen, analysiert die Autorin sodann die  Stereotypen hinsichtlich ihres Aussagewerts über die Verfasser der Artikel sowie ‚die Deutschen‘ als Ganzes. So weist sie bspw. daraufhin, dass der Gebrauch von Stereotypen in den Artikeln dazu diene, das ‚Fremdheitsgefühl‘ der ins Land strömenden Asylbewerber zu verstärken. Hierbei werden die kulturellen Unterschiede der Asylbewerber klar herausgestellt und als unvereinbar mit der deutschen Kultur proklamiert. Hinweise darauf, was die deutsche Kultur oder Identität explizit auszeichnen finden sich jedoch
nur selten. Wichtig scheint vielmehr, dass der kulturell heterogenen Asylbewerbergruppe Gemeinsamkeiten zugeschrieben werden, die dieser Gruppe einen volksähnlichen Charakter geben, von welchem man sich abzugrenzen wünscht. Gleichzeitig spielen noch weitere Aspekte eine Rolle, auf die die Autorin im Fazit erneut zu sprechen kommt: die deutsche Geschichte und die Verunsicherung über den Umgang mit ihr sowie auch die Beziehung zur DDR. Diese Diskurse wirken mit in die Asyldebatte hinein und
prägen sie, indem sie zur Unsicherheit über die nationale Identität beitragen. Die Autorin schließt ihre Argumentation damit, dass die Asyldebatte als ein Abwehrmechanismus für die Nation fungiert. Das Insistieren darauf, dass es die ‚Anderen‘ gäbe, hilft dabei Angst zu schüren – eine Angst, die die ‚Wir‘-Gruppe der Nation auszeichnet und zum Zusammenrücken antreibt. Die Wirklichkeit der bereits existierenden nicht-homogenen deutschen Gesellschaft wird u.a. durch die Nutzung von Stereotypen und ihre identitätsstiftende Wirkung heruntergespielt. Stattdessen wird mithilfe der negativen Heterostereotypen Furcht produziert, eine Abgrenzungsmöglichkeit geschaffen und schlussendlich vor allem deutlich, dass die Bundesrepublik Deutschland im Autostereotyp noch immer als ethnische Nation betrachtet wird.