Bachelorarbeit, Fachbereich Sprach-, Medien- und Musikwissenschaft, 71 Seiten, dt.
Zusammenfassung:
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Auf einer kleinen, schmelzenden Eisplatte inmitten der Arktis sitzt ein abgemagerter, offensichtlich hungriger und einsamer Eisbär. Dieses Bild kann wohl als das „globale Symbol des Klimawandels“ bezeichnet werden (vgl. Bachelorarbeit, S. 3).
Ob Print- oder Onlinemedien, seit Beginn der medialen Berichterstattung über den Klimawandel vor über 30 Jahren scheinen hier krisenhafte, dystopische Szenarien im Fokus zu stehen. Obwohl seit mehreren Jahrzehnten über die Erwärmung des Klimas berichtet wird und Bildungsarbeit in diesem Zusammenhang erfolgt, besteht gesellschaftlich dennoch eine Diskrepanz zwischen Wissen um den Klimawandel auf der einen Seite und nachhaltigem, transformativem Handeln auf der anderen Seite. Dieser sog. Knowledge-Action-Gap ist Ausgangspunkt für die Frage, ob der mediale Gebrauch negativer Bilder und Szenarien einen Einfluss auf das Ausbleiben transformativen Handelns hat.
In Kooperation mit der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch e.V. entstanden, setzt sich meine Bachelorarbeit mit dem Titel „Erzähl mir von morgen. Digital Storytelling als Kommunikationsmethode für eine Bildung für nachhaltige Entwicklung“ mit genau dieser Frage auseinander. An-hand der Germanwatch Bildungsarbeit für nachhaltige Entwicklung (BNE) wird zum einen untersucht, ob die Wahl zielgruppenorientierter Medien und Kommunikationsmethoden die Reichweite der Bildungsinhalte der Umwelt- und Entwicklungsorganisation potenziell erhöhen kann. Zum anderen behandelt die Bachelorarbeit die Frage, welche Inhalte im Zuge einer Bildungsarbeit für nachhaltige Entwicklung (mit Fokus Klimawandel und große Transformation) anstelle oben beschriebener Negativ- / Dystopieszenarien eher zu transformativem Handeln anzuregen vermögen – dies ist nämlich zentrales Ziel der Germanwatch Bildungsarbeit für nachhaltige Entwicklung. Die Analyse dieser beiden Aspekte erfolgt mit Blick auf die Entwicklung eines Anwendungsbeispiels zur möglichen Umsetzung für die Germanwatch Bildungsarbeit.
Um die theoretische Grundlage für die Entwicklung eines Anwendungsbeispiels zu schaffen, erfolgt zunächst eine Einführung in relevante Begrifflichkeiten sowie in den konzeptionellen Rahmen der Untersuchung: Thematisch kann meine Bachelorarbeit dem Forschungsfeld der Nachhaltigkeitskommunikation zugeordnet werden. Außerdem werden zu Beginn der Untersuchung spezifisch mit Blick auf die Germanwatch Bildungsarbeit drei Hypothesen aufgestellt: Zentrale Hypothese ist die, dass die Wahl der Medien, von denen die Germanwatch Bildungsarbeit für nachhaltige Entwicklung Gebrauch macht, sich bisher nicht optimal am Mediennutzungsverhalten der adressierten Zielgruppen orientiert hat. Weiter ist anzunehmen, dass reine Wissensvermittlung im Zuge einer BNE nicht ausreicht, um zu transformativem Handeln anzuregen. Nicht zuletzt wird die oben erwähnte Hypothese behandelt, dass negative Szenarien bzgl. des Klimawandels transformatives Handeln eher hemmen als hierzu zu motivieren. Alle drei Hypothesen können im Verlauf der Argumentation meiner Bachelorarbeit als bestätigt gelten.
Um die drei aufgestellten Hypothesen zu untersuchen und schlussendlich ein Anwendungsbeispiel zu entwickeln, galt es, mithilfe eines zweistufigen Experteninterviews die Ziele, Zielgruppen und Herausforderungen der Bildungsarbeit für nachhaltige Entwicklung von Germanwatch e.V. zu ermitteln. Interviewpartner hierfür war ein Referent des Teams BNE bei Germanwatch e.V. Es kann festgehalten werden, dass es ein zentrales Anliegen der Organisation ist, besonders engagierte, junge Erwachsene zu transformativem Handeln zu befähigen und zu motivieren. Ausgehend von dieser Zielgruppenbeschreibung erfolgt ein Abgleich der verwendeten medialen Formate der Umwelt- und Entwicklungsorganisation mit aktuellen Mediennutzungstrends der entsprechenden Altersgruppe. Hierfür machte ich Gebrauch von diversen Mediennutzungsstudien der vergangenen vier Jahre. Während diese Studien nahelegen, dass digitale Medienformate, insbesondere Social Media, eine herausragende Rolle im All-tag Jugendlicher und junger Erwachsener spielen, hält die Germanwatch Bildungsarbeit eher an klassischen medialen Formaten fest. Es scheint ratsam, im Zuge zukünftiger Bildungsarbeit für nachhaltige Entwicklung auch von solchen medialen Formaten Gebrauch zu machen, die die Zielgruppe(n) der betreffenden Organisation in ihrem Alltag häufig und intensiv verwenden.
Weiter greift meine Bachelorarbeit aktuelle Tendenzen innerhalb der Kommunikationswissenschaften auf, im Rahmen der Nachhaltigkeitskommunikation und insbesondere für Bildungsanliegen auf negative Bilder und Szenarien zu verzichten. Aufgrund verschiedener Studien aus dem Fachgebiet der Psychologie ist anzunehmen, dass ein Fokus auf dystopische Zukunftsszenarien beim Individuum zu Gefühlen der Hilflosigkeit, Handlungsunfähigkeit und schlussendlich zu Passivität führt. Motivation und aktives Handeln werden hierdurch gehemmt. Da dieser Effekt nicht mit den Zielen einer BNE überein-stimmt, bedarf es neuer, positiver Narrative und Zukunftsbilder. Derzeit finden sich erste Ansätze, in der Nachhaltigkeitskommunikation von der Methode des Digital Storytelling Gebrauch zu machen. Es wird vermutet, dass sich intrinsische Eigenschaften des Geschichtenerzählens (Storytelling) wie das Wecken von Interesse, vereinfachte Zugänglichkeit zur behandelten Thematik, Identifizierbarkeit und das Potenzial einer Handlungsanregung positiv im Bereich der Nachhaltigkeitskommunikation und ins-besondere in der BNE auswirken können. Diese Methode gilt es in der Praxis auszuprobieren und ihre Effekte in der Bildungsarbeit für nachhaltige Entwicklung zu untersuchen.
Germanwatch e.V. könnte im Zuge seiner Bildungsarbeit für nachhaltige Entwicklung ein Akteur sein, um diese Methode in die Praxis zu überführen. Im letzten Schritt meiner Bachelorarbeit stelle ich basierend auf den Erkenntnissen der vorangegangenen Kapitel ein Beispiel für eine solche mögliche An-wendung vor. So könnte Germanwatch e.V. auf der Social Media Plattform Instagram mit einem schon entwickelten Wimmelbild digitale Geschichten über eine positive, transformierte und nachhaltig agierende Gesellschaft der Zukunft erzählen. Über diese Plattform könnte Germanwatch e.V. die Reich-weite seiner Bildungsangebote erhöhen und mit seiner Zielgruppe junger, besonders engagierter Erwachsener in Austausch treten. Auch ermöglicht Instagram als bildbasierter Kommunikationskanal eine ideale Einbettung eines visuellen Digital Storytelling.
Im Falle einer Umsetzung der in meiner Bachelorarbeit gewonnenen Erkenntnisse ergeben sich ganz neue, bspw. personelle oder finanzielle Herausforderungen. Eine mediale und kommunikative Weiter-entwicklung der Akteure einer BNE ist dennoch, trotz aller neuen Herausforderungen, erstrebenswert. Denn dieser Schritt kann dazu beitragen, globale und drängende Themen wie Klimaschutz und nach-haltige Entwicklung zu verbreiten, Engagement zu fördern und die große Transformation voranzutreiben. Dieses Vorgehen ist umso wichtiger, da anzunehmen ist, dass eine Anpassung der Bildungsarbeit für nachhaltige Entwicklung an neue digitale Medien- und Kommunikationsformate auch in anderen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen nur langsam voranschreitet.