Soziale Arbeit und Nachhaltige Entwicklung. Perspektiven einer Zusammenführung und praktischen Umsetzung

Autor: Schreier, Elisabeth
Jahr: 2019

Bachelorarbeit, Fachbereich Soziale Arbeit.Medien.Kultur, 80 Seiten, dt.

Zusammenfassung:

Mit meiner Arbeit wurden im ersten Schritt, resultierend aus einer theoretischen Zusammenführung der zwei Themengebiete Menschenrechtsprofession Soziale Arbeit und nachhaltige Entwicklung, Interferenzen herausgearbeitet, um Potenziale der gegenseitigen (positiven) Beeinflussung aufzuzeigen. Es wurde ersichtlich, dass Soziale Arbeit und Menschenrechte unweigerlich in Theorie und Praxis einander bedingen. Menschenrechte geben Sozialer Arbeit einen universalen Ethikkodex und somit eine Orientierungsmöglichkeit für professionelle Haltung und Handlung. Sie eröffnen somit eine globale Kommunikationsebene innerhalb der Profession. Außerdem führen sie zu autonomen Handeln im Sinne des Selbstauftrages. Menschenrechtsverletzungen sind nicht nur Auslöser für sozialarbeiterische Interventionen, sondern machen diese auch (rechtlich) begründbar. Soziale Arbeit sollte sich als Menschenrechts-Beruf dem Schutz der Menschenrechte verpflichtet fühlen. Ein professionelles Verantwortungs- und Solidaritätsgefühl führt zur Thematisierung und Überwachung der Menschenrechte sowie zur Auflehnung gegen Verletzungen und Missachtungen dieser. Hierbei sollte es keine nationalen Grenzen geben. Das Wissen, auch um internationale Menschenrechtsinstrumente, ist daher von großer Bedeutung.

Weiter wurde deutlich, dass sich Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung gegenseitig befördern und deren Kernaussagen und Zielstellungen eine hohe Anschlussfähigkeit aufweisen. Dies wurde vor allem hinsichtlich der Bedürfnisorientierung als auch der Globalität erkenntlich: So ergeben sich Menschenrechte aus menschlichen Bedürfnissen und sind Instrumente für deren Schutz. Durch eine nachhaltige Entwicklung sollen die Bedürfnisse der jetzigen Generationen gerecht befriedigt werden (intragenerationelle Gerechtigkeit), ohne künftige Genrationen in deren Bedürfnisbefriedigung einzuschränken (intergenerationelle Gerechtigkeit). Menschenrechte gelten außerdem global und bedingungslos für alle auf dieser Welt lebenden Menschen - genau wie auch eine nachhaltige Entwicklung vor den Kulissen der Weltgesellschaft reflektiert wird. Der Schutz unseres Planeten kann nicht mit einer nationalen Lösungsstrategie gewährleistet werden, sondern nur gemeinsam, global und in Kooperation.

Diese Interferenzen führen zu der nächsten Erkenntnis: Eine menschenrechtsorientierte Soziale Arbeit kann eine nachhaltige Entwicklung befördern und professionalisiert sich dadurch selbst. Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung ermöglicht SozialarbeiterInnen, globale Zusammenhänge zu verstehen und Verantwortung für eigenes Handeln zu übernehmen. So können Menschenrechtsverletzungen innerhalb der Sozialen Arbeit erkannt und thematisiert werden. Dies führt zu einem kongruenten Professionsverständnis. Aber auch eine nachhaltige Entwicklung kann durch Soziale Arbeit positiv beeinflusst werden: Aktiv, indem thematische Bildungs- und Projektarbeiten von SozialarbeiterInnen übernommen werden sowie durch deren Partizipation kommunale und politische Entscheidungsprozesse beeinflusst werden. Aber auch indem eben jene SozialarbeiterInnen als MultiplikatorInnen und VorreiterInnen (auch innerhalb der Institutionen Sozialer Arbeit) fungieren können. Im Sinne des Selbstauftrages und der Menschenrechtsorientierung kann es Sozialer Arbeit gelingen, die Anwaltschaft für benachteiligte Personengruppen zu übernehmen und für die Sicherung derer Bedürfnisbefriedigung einzustehen. Betrachtet man den Zustand unseres Planeten, gehört dazu ohne Zweifel auch die künftige Generation. Feststellend lässt sich sagen, dass es nicht nur lohnenswert ist, sondern notwendig, Soziale Arbeit und nachhaltige Entwicklung zusammen zu denken und einander beeinflussen zu lassen.

Im zweiten Schritt wurde darauf eingegangen, WIE eine nachhaltige Entwicklung in den Bachelorstudiengang Soziale Arbeit integriert werden kann. Soziale Arbeit weist, wie erörtert, durch die Orientierung an den Menschenrechten, einige Zugänge für eine nachhaltige Entwicklung auf. Menschenrechte sind bereits fester Bestandteil des Kerncurriculums sowie des Qualifikationsrahmens Sozialer Arbeit. Deswegen ist es notwendig, dass sich alle Hochschulen für Soziale Arbeit mit dem bestehenden Kerncurriculum auseinandersetzen und sich an diesem in der Lehre orientieren. Hierbei ist es wichtig, dass Menschenrechte nicht nur Bestandteil eines Abschnittes der Lehre sind, sondern von Anfang an deren übergreifende Relevanz für die Profession klar kommuniziert wird. Internationale Definitionen und Standards sollten beleuchtet werden, da dies zur Bildung einer stabilen beruflichen Identität verhilft.

Studierende sollen durch ein Modul zur nachhaltigen Entwicklung befähigt werden, soziale Probleme und Ursachen vor der ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimension zu reflektieren, Strategien zur nachhaltigen Entwicklung kennen- und anwenden zulernen, ein globales Verantwortungs- und Gerechtigkeitsgefühl zu entwickeln und sich durchweg an den menschlichen Bedürfnissen zu orientieren. Der Studienbereich Erweitertes Gegenstands- und Erklärungswissen der Sozialen Arbeit eignet sich für die Integration des Moduls besonders gut, da in diesem das Kennenlernen von Perspektiven anderer Disziplinen im Fokus steht. Aber auch andere Studienbereiche (bspw. Forschung, gesellschaftliche Rahmenbedingungen, Profession, Grundlagen und Handlungsfelder) sind durchaus anschlussfähig und können vor allem im Planungsprozess miteinbezogen werden.

Nutzt man die Erkenntnisse der Bildung für Nachhaltige Entwicklung, sollte an zwei Ebenen angesetzt werden: der Wissens- und der Können-Ebene, also Theorie und Anwendung. Hierbei empfiehlt sich, das Modul in Vorlesung (Vermittlung von Grundlagenwissen) und Seminar (Projektarbeit und Anwendung des Wissens) aufzuteilen. Nachhaltige Entwicklung kann nur durch die Einbeziehung von inter- und transdisziplinären Perspektiven gelingen. Dies kann erreicht werden, indem Studierende unterschiedlicher Studiengänge am Seminar beteiligt sind. Somit werden, neben dem individuellen Perspektivwechsel, die fachspezifischen Kompetenzen der unterschiedlichen Disziplinen in der Zusammenarbeit genutzt. Transdisziplinär meint die Einbeziehung von externen (regionalen) AktuerInnen sowie das Transportieren der Ergebnisse und Inhalte an die Öffentlichkeit, um somit deren Wirkung zu potenzieren. Essenziell ist außerdem die Einbeziehung von Ideen und Wünschen der Studierenden. Es hat sich gezeigt, dass man für innovative Ideen und die Umsetzung von Projekten keine ausgebildeten ExpertInnen benötigt. Vielmehr sollte man dem Wunsch zu partizipieren, Raum und Mittel zur Verfügung stellen. Um diese Motivation zu fördern, sollte die erbrachte Prüfungsleistung im Fachstudium anrechenbar sein. Soziale Arbeit sieht sich mit vielen Problemen konfrontiert, deren Wichtigkeit außer Frage steht und diese daher ebenso Raum einnehmen müssen.

Meine Arbeit kann hilfreich sein, anderen Hochschulen, ProfessorInnen, DozentInnen sowie Studierenden den Einstieg in das Tätigwerden zu erleichtern. Das Thema bietet Potential für weitere Forschungen und wissenschaftliche Bearbeitungen. Es wäre bereits ein großer Erfolg, wenn sich Soziale Arbeit nach und nach an trans- und interdisziplinären Debatten und Entscheidungsprozessen einer nachhaltigen Entwicklung selbstbewusst und kreativ beteiligt. Die Beiträge können also vielfältig sein. Die Notwendigkeit ist gegeben, die Potenziale und der Mehrwert erörtert, wichtige konzeptionelle Aspekte zusammengefasst. Nun kann begonnen werden, Hilfe und Unterstützung in Anspruch zu nehmen und den ersten Schritt zu wagen.