Empirische Untersuchung der Entwicklung und Vernetzung von Perspektiven auf das Thema Energie

Autor: Freckmann, Janine
Jahr: 2015

Masterarbeit, Fachbereich Physik, 123 Seiten, dt.

Zusammenfassung:

Eine sichere und nachhaltige Energieversorgung stellt eine wichtige, komplexe und verantwortungsvolle gesellschaftliche Aufgabe dar. Vorausschauende Entscheidungen sind zu treffen, die sich nicht allein auf innovative technische Lösungen beziehen, sondern insbesondere auch auf Bildungsprozesse im beruflichen Bereich und im Bereich der Allgemeinbildung. Es gilt, Energiekompetenz zu vermitteln, die neben einem naturwissenschaftlichen Wissen über Energieformen und ihren Umwandlungen viele weitere Perspektiven umfasst, die ökonomische, die soziale, die ethische etc. Bereits in der Schule sollte daher früh eine „Energiebildung“ stattfinden, die sich in der Berufsausbildung oder dem Studium fortsetzt. An der Carl von Ossietzky-Universität in Oldenburg werden Studierende aller Fachrichtungen und insbesondere Lehramtsstudierende im Modul „Energie interdisziplinär“ im Aufbau ihrer „Energie-Kompetenzen“ unterstützt. Das Modul bringt den teilnehmenden Studierenden energetische Fragen aus verschiedenen Fachdisziplinen nahe und befasst sich mit verschiedenen Perspektiven auf Energie und unterschiedlichen Konzeptualisierungen von Energie. Das Modul wird im Professionalisierungsbereich der Universität als Ringveranstaltung angeboten und umfasst eine Kombination aus Exkursionen, Seminarsitzungen und praktikumsähnlichen Aktivitäten. Jede Veranstaltung befasst sich mit einer anderen Perspektive auf Energie. Die Studierenden gestalten in Kooperation mit Dozenten und auch mit regionalen Experten der Energiebranche die einzelnen Seminarsitzungen und Exkursionen. Einige bedeutungsvolle Perspektiven des Models sind: · Energiemeteorologie: Messung, Vorhersage, Versicherung · Projektunterricht zu Energie-Klima-Fragen – Einblick in die Schulpraxis · Energieinformatik – von der Strommessung bis zum Smart Grid · Die ethisch-moralische Perspektive · Die Ware Energie – der ökonomische Blick auf Energie · Geschichte der Nutzung Erneuerbarer Energien · „Wo fängt man an?“ - Energie als Thema im Sachunterricht · Physikalische Forschung und Qualifizierung im Themenfeld „Wind“ Besondere Übungen fördern die Abgrenzung und Vernetzung der einzelnen Perspektiven. Ziel des Moduls ist es, eine kritische Sicht und eine Disposition aufzubauen, die es erlaubt, sich aktiv an gesellschaftlichen, naturwissenschaftlich-technischen und weiteren Debatten zu beteiligen. Janine Freckmann Begleitforschung: Um zu untersuchen, inwieweit die angestrebten Ziele des Moduls trotz der genannten Herausforderungen erreicht werden, wurde von der Bewerberin eine Interviewstudie durchgeführt. Diese klärte, wie Studierende im Modul verschiedene Energiekonzepte aufbauen und in welcher Weise sie diese miteinander vernetzen? Außerdem wurde der Frage nachgegangen, inwiefern sich aufgrund der Aktivitäten und Anregungen des Moduls die Kompetenzen zur Perspektivübernahme und zur Vernetzung von Perspektiven auf Energie erweitert haben? Es wurden leitfadengestützte Interviews vor und nach dem Modul mit den teilnehmenden Studierenden geführt, bei denen concept maps, die die Befragten anfertigten, die Vernetzungen der Perspektiven auf Energie darstellten. In der Prä-Befragung konnte festgestellt werden, dass Studierende eine Fachperspektive relativ fokussiert darstellen konnten, sofern ihr Studium eine Nähe zum Thema Energie aufwies. War dies nicht gegeben, so war die Bandbreite der benannten Perspektiven bemerkenswert groß, die Tiefe der Argumente hingegen eher gering. Bei der Vernetzung der fachlichen Perspektiven wurden in beiden Gruppen vor allem monodirektionale Vernetzungen erarbeitet, bei denen also zwei oder drei Perspektiven miteinander vernetzt wurden; Wechselwirkungen zwischen den Perspektiven wurden dabei kaum hinterfragt. In der Post-Befragung wurden fünfmal mehr Argumentationslinien benannt und dargestellt: Neben der Stärkung der fachlichen Perspektiven wurden diese auch stärker vernetzt, wodurch sich auch die Tiefe der Argumentationen und damit das Verständnis der einzelnen Perspektiven verstärkten. Die Studierenden haben im Seminar zahlreiche Perspektiven neu kennengelernt und probeweise übernommen. Die Erhebungsdaten zeigen, dass sie nach Abschluss des Moduls deutlich mehr Perspektiven nennen und vernetzen können. Dies deutet auf eine hohe Wirksamkeit des Modulansatzes hin, was damit begründet werden kann, dass die zunächst singulär erarbeiteten fachspezifischen Perspektiven per Vernetzungsübungen explizit verknüpft und auf Kontexte und Dilemmata angewendet wurden. Das Modul Energie interdisziplinär weist somit einen Weg aus, wie Bildung für Nachhaltigkeit BNE vor allem in der Lehrerbildung unter Bachelor/Master-Strukturen erfolgreich integriert werden kann. Auf Grundlage der Begleitforschung konnte das Modul im aktuellen Durchgang im Sommersemester 2016 optimiert werden. Die aktive Vernetzung der verschiedenen Perspektiven im Modul wurde zu einem festen Bestandteil, die Reihenfolge der fachlichen Zugänge wurde verbessert und zusätzliche Exkursionstermine zu Firmen und Institutionen mit Energiebezug wurden integriert, um für die angehenden Lehrerinnen und Lehrer stärkere, regionale Praxisbezüge herzustellen. Das Ziel des Moduls, Energiebildung für die gesamte Lebenspanne anzulegen, ist durch die Begleitforschung der Bewerberin erreichbarer geworden.